Brandenburgs CDU hält sich für nicht zu stoppen

Parteitag in der Potsdamer Schinkelhalle wählt Jan Redmann zum neuen Landesvorsitzenden

»I’m unstoppable« (Ich bin nicht zu stoppen). Dieses Lied wird in der Potsdamer Schinkelhalle laut eingespielt, als amtlich feststeht, wer neuer Vorsitzender der Brandenburger CDU ist: Der 43-jährige Jan Redmann. Beim Parteitag am Samstag erhält er 192 Stimmen. Nur 24 Delegierte sagen Nein zu ihm und acht enthalten sich.

Es ist ein Generationswechsel. Der 63-jährige Michael Stübgen gibt dafür den Weg frei, nachdem er vier Jahre Landesvorsitzender gewesen ist und nur noch dieses und nächstes Jahr Innenminister bleiben möchte. 2024 ist Landtagswahl. »Für eine Erfolgsgeschichte ist alles da«, meint Redmann, der auch Landtagsfraktionschef ist. Da meint er zunächst jedoch nur die wirtschaftliche Entwicklung des Bundeslandes, das nach seinem Geschmack zum florierenden Umland von London und Paris aufschließen müsste. Dazu braucht es natürlich die CDU, die angeblich ganz anders ist als andere Parteien. Sie hänge keinen ideologischen Wunschträumen nach, sondern sorge für abrechenbare Ergebnisse, behauptet Redmann. Er befürchtet nach den schweren Verwerfungen der 1990er eine erneute Deindustrialisierung, wenn Deutschland alle Kohle- und Atomkraftwerke abschaltet. Auf Landesebene greift Redmann einmal mehr die seit 30 Jahren von der SPD verantwortete Bildungspolitik an. Bei einem Leistungsvergleich landeten Brandenburger Schüler nur auf dem drittletzten Platz. Das will Redmann zu einem großen Thema machen. Es sei nicht »gottgegeben«, dass die SPD in Brandenburg alle Wahlen gewinnt, sagt er.

Bisher entschied die SPD seit 1990 noch alle Landtagswahlen für sich. Wie könne einer da sagen, dass die CDU nächstes Jahr stärkste Kraft werde? Zumal der inoffizielle Artikel eins der Landesverfassung laute: »Es regiert die SPD, egal wie schlecht.« Das sagt Generalsekretär Gordon Hoffmann, den Redmann von seinem Vorgänger Stübgen übernimmt. Mit 200 Stimmen wird Hoffmann in Potsdam als Generalsekretär bestätigt. »Es gegen alle Erwartungen denen zu zeigen, die an uns nicht glauben«, dieses Gefühl kennt Hoffmann aus seiner Jugend. Er sei als Schüler faul gewesen, gesteht er offenherzig. Erst als Bundeswehrsoldat im Auslandseinsatz im Kosovo habe er sich vorgenommen, nicht länger der Versager zu sein, für den ihn alle hielten. Er habe die Abendschule besucht, Sozialpädagogik studiert und doch noch etwas aus seinem Leben gemacht. Nur bei den Grünen hätte er ohne Abschluss etwas werden können, scherzt Hoffmann. Der Witz ist zwar alt. Aber hier kommt er an. Jeder, der gegen die Grünen austeilt und gegen Migranten Stimmung macht, bekommt Applaus. Auch der Landtagsabgeordnete Frank Bommert, der zu einem von vier stellvertretenden Landesvorsitzenden gewählt wird und klarstellt, die Handwerksmeister von morgen dürften nicht nur Mohammed heißen, sondern es müsste auch der Jan seine Chance bekommen.

Damit bezieht sich Bommert auf den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU), der als Gast in der Schinkelhalle von Meistern namens Mohammed anfängt. Wüst erzählt auch von dem iranischen Arzt, der Wüst in der Notaufnahme versorgt hatte, als er sich mal in den Finger geschnitten hatte und dem er sich auf Englisch gerade so verständlich machen konnte. »Wahre Geschichte. Ich bin froh, dass der Mann da ist«, versichert Wüst. Menschen abschieben will er trotzdem – weil ihm Bürgermeister über die Aufnahme von Geflüchteten sagen: »Ich bin kein Scharfmacher, aber ich kann nicht mehr.« Der Ministerpräsident ist hier ein gern gesehenes Vorbild, weil er 2021 unerwartet die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen gewann. In seiner Jugend hat Wüst mit Jan Redmann in einer Praktikanten-WG in Brüssel gewohnt und bis in die Nacht mit ihm über Politik diskutiert.

Auch der CDU-Bundeschef Friedrich Merz gibt in einer Videobotschaft den unverbesserlichen Optimisten. Mit Blick auf die Wiederholung der Berliner Abgeordnetenhauswahl im Februar ermuntert Merz die Delegierten: »Was die Berliner Freunde um Kai Wegner können, das können Sie in Brandenburg auch: die Nummer eins werden!«

In den jüngsten Umfragen Ende 2022 lag die Brandenburger CDU allerdings nur bei 17 Prozent und damit deutlich hinter der SPD, die auf 22 bis 27 Prozent kam. Da klingt es doch etwas vermessen, wenn zu Jan Redmanns Wahl zum Parteichef der Song der australischen Sängerin Sia eingespielt wird: »Ich bin nicht zu stoppen, ich gewinne jedes einzelne Spiel.«

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