Bunte Stadt mit verschärfter Strafverfolgung

Schwarz-Rot einigt sich in Koalitionsverhandlungen über Vielfalt, Sicherheit und Bildung

»Konkret war es wirklich gut. Hart in der Sache gerungen, aber konsensorientiert.« Mit diesen verknappten Sätzen fasst der Berliner SPD-Landes- und Fraktionschef Raed Saleh am Mittwochnachmittag zusammen, was bei den Koalitionsverhandlungen mit der CDU seit Montag herausgekommen ist.

Dabei geht Saleh insbesondere auf sein Herzensthema ein: die Vielfalt, die auf Respekt beruhe. »Was da ausgehandelt wurde, kann sich sehen lassen. Es geht über bisherige Vereinbarungen hinaus«, versichert Saleh. Die Vielfalt werde auch haushaltstechnisch große Priorität genießen, also mit den notwendigen finanziellen Mitteln ausgestattet werden. 

So soll es beispielsweise eine Enquetekommission des Abgeordnetenhauses geben, die Berlin auf Rassismus und Diskriminierung durchleuchtet. Den 15. März wolle die Koalition zu einem Tag machen, an dem etwas gegen muslimfeindliche Einstellungen unternommen werde, erklärte Saleh. Denn: »Berlin ist auch ein Zuhause für Muslime.« Judentum und andere Religionen nennt der SPD-Politiker dann auch noch. Der Tag ist nicht zufällig gewählt: Am 15. März 2019 tötete der rechte Terrorist Brenton Tarrant bei seinen Angriffen auf zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch 51 Menschen mit Schusswaffen und verletzte 50 weitere.

»Erstmals in dieser Form« möchte die Koalition außerdem einen Queerbeauftragten ernennen, der sich um die Belange von Lesben, Schwulen, trans und inter Personen kümmert. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sagte, die Einwohner der Stadt sollten sicher vor Hass und Hetze sein, »egal, wen sie lieben«. Auch die Gleichstellung und der Schutz von Frauen vor Gewalt sind Giffey wichtig. Es solle zwei zusätzliche Frauenhäuser und ein Regenbogenhaus geben, kündigte sie an.

Der Sieger der Wiederholungswahl vom 12. Februar, CDU-Landeschef Kai Wegner, stimmte in dieses Lied nicht nur ein. Seinem Rang entsprechend eröffnete er den Reigen, als die Spitzen der beiden miteinander verhandelnden Landesparteien um 15.20 Uhr im Abgeordnetenhaus vor die wartenden Journalisten traten. »Dieser Koalitionsvertrag feiert die Vielfalt Berlins«, rühmte Wegner. Berlin sei eine »internationale, liberale und weltoffene Metropole« und solle es bleiben. Die Vielfalt solle gefördert werden, aber auch geschützt, wenn sie durch Rassismus angegriffen werde. Von da aus schwenkte Wegner auf sein Lieblingsthema Ordnung und Sicherheit. Denn die Vielfalt Berlins solle auf einem »Fundament der Sicherheit« stehen.

Die Koalition möchte die Polizei besser und moderner ausstatten, auch mit umstrittenen Bodycams – kleinen Kameras also, die an der Uniform der Beamten befestigt werden und Videos von Einsätzen aufzeichnen; außerdem mit Tasern, die kleine Pfeile verschießen und Menschen über einen Draht mit einem Stromstoß vorübergehend lähmen. Auch wolle man mehr Polizisten auf die Straße bringen, erläuterte Wegner. Er hatte sich im Wahlkampf mit wutschnaubenden Reden über Silvesterrandale hervorgetan. Jetzt nickt er eifrig, als Giffey erklärt, als Konsequenz aus den Vorfällen solle die Jugendarbeit verstärkt werden, aber auch die Strafverfolgung.

Weiterhin einigten sich CDU und SPD über eine Verwaltungsreform. Mobile Bürgerämter sollen in die Kieze fahren, Termine beim Amt schneller zu bekommen sein. Die Schulbauoffensive soll forciert werden. Es soll mehr Lehrer geben und ein Kita-Chancenjahr zur Vorbereitung benachteiligter Kinder auf die Einschulung. Und es sollen künftig auch 16- und 17-Jährige das Abgeordnetenhaus wählen und bei Volksentscheiden abstimmen dürfen. Bisher gibt es das Wahlalter 16 in Berlin nur auf der Ebene der Bezirke.

Drei von 13 Themenfeldern der Koalitionsverhandlungen sind jetzt noch offen. Bis einschließlich des Wochenendes wollen CDU und SPD mit den Verhandlungen fertig sein.

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