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Wasser für die Maiswüste

In Frankreich wächst die Kritik an dem Bau großer Wasserstaubecken für die Landwirtschaft

  • Rosa Budde
  • Lesedauer: 6 Min.
Eau secours – Demonstrierende wollen in Sainte Soline Nothilfe leisten und für eine gerechte Verteilung des Wassers sorgen.
Eau secours – Demonstrierende wollen in Sainte Soline Nothilfe leisten und für eine gerechte Verteilung des Wassers sorgen.

Mehrere Meter tiefes dunkles Wasser auf einer Fläche von zehn Fußballfeldern. Keine einzige Pflanze am Ufer, kein Tier im Wasser, denn der Boden ist mit einer dicken Plastikfolie ausgekleidet. Voilà, ein Méga-Bassin, ein nach oben offenes Becken in der Größe von durchschnittlich acht Hektar. Wasser für die industrielle Landwirtschaft wird darin gespeichert.

In Frankreich gibt es mindestens 100 solcher Wasserbecken, rund 60 davon in der westlichen Region Poitou-Charentes. Dort kommt es seit Jahren immer wieder zu extremer Trockenheit. Letzten Sommer verhängten zahlreiche französische Regionalverwaltungen Restriktionen für die Wasserverwendung, was nicht nur bedeutete, dass Privatpersonen unter anderem ihre Autos nicht mehr waschen durften und Rasensprenger im Schuppen blieben, sondern auch, dass Landwirte die Bewässerung ihrer Felder einschränken mussten.

Seit über zehn Jahren wird in Frankreich eine Debatte darüber geführt, wie auf den Klimawandel und die immer weiter fortschreitende Trockenheit reagiert werden soll. Die größte französische Gewerkschaft für Landwirt*innen FNSEA fordert vehement den Bau weiterer Méga-Bassines, um Reserven für die Bewässerung der Äcker zu gewährleisten. Ursprünglich sollten die Becken gebaut werden, um auf großen Flächen Regenwasser aufzufangen. Mittlerweile werden sie jedoch mit Grundwasser gespeist, das im Winter in die Becken gepumpt wird, um im Sommer für die Landwirtschaft verfügbar zu sein. Das Vorgehen ist umstritten.

»Méga-Bassines sind keine sinnvolle Reaktion auf die Veränderungen, die die Klimakatastrophe mit sich bringt«, meint Inés, die sich selbst als militante Klimaaktivistin bezeichnet. Sie ist Teil einer Gruppe von Unterstützer*innen von der Initiative Bassines Non Merci. »Was in Marais Poitevin passiert, zeigt, dass das profitorientierte Eingreifen in natürliche Prozesse weitere, schwerwiegende Probleme nach sich zieht. Und das prangern wir an.«

Marais Poitevin ist eine Sumpfregion an der französischen Westküste und eigentlich eines der feuchtesten Gebiete Frankreichs. Trotzdem werden in der Gegend immer mehr Méga-Bassines gebaut. Denn in den 1970er Jahren wurde dort begonnen, Hecken und Büsche, die damals kleine Parzellen begrenzten, auszureißen, um größere Felder für eine intensive Landwirtschaft zu schaffen. Ohne die Hecken und Unebenheiten wurde das Wasser der Region aber nicht mehr aufgefangen und sickerte nicht in den Boden ein. Es kam zu regelmäßigen Überschwemmungen. Daraufhin wurde die Sumpfregion an einigen Stellen trocken gelegt. Mit fatalen Auswirkungen, denn heute fehlt ausgerechnet dort Wasser für die Landwirtschaft.

Zudem wird Grundwasser in die Méga-Bassines gepumpt, was zur Folge hat, dass Marais Poitevin immer weiter austrocknet. Umweltaktivistin Inés ist der Meinung, die Becken seien nicht einmal eine mittelfristige Lösung: »Der letzte Winter war einer der trockensten seit Langem in Frankreich. Normalerweise füllt sich dann das Grundwasser auf.« Aber durch die Veränderung des Klimas in den letzten Jahren könne sich der Wasserspiegel oft nicht erholen. »Das ist sehr besorgniserregend. Denn das Grundwasser speist Flüsse und Sümpfe, die nun im Sommer austrocknen«, erklärt sie. Durch Méga-Bassines verstärke sich die Dürre noch einmal deutlich, weil ein natürlicher Kreislauf gekappt werde.

Ein weiterer Kritikpunkt von Umweltschützer*innen an den Riesenbecken ist, dass ein Teil des abgepumpten Wassers gar nicht auf den Feldern landet. Da die Anlagen nach oben offen sind, sind sie dem Wind und der Sonne ausgesetzt, und es verdunsten Greenpeace France zufolge 20 bis 60 Prozent des gespeicherten Wassers. Außerdem sinkt die Qualität des Wassers in den Becken, da sich durch Erwärmung Bakterien und Mikroalgen bilden können.

Bei den Protesten gegen die Wasserspeicheranlagen geht es aber nicht ausschließlich um den Naturschutz. Gegner*innen fordern auch soziale Gerechtigkeit. Längst profitieren nämlich nicht alle Bauern von dieser Wasserstrategie. Die Gewerkschaft Confédération Paysanne, die im Gegensatz zu der politisch einflussreicheren FNSEA eher Kleinbauern vertritt, positioniert sich gegen den Bau der Méga-Bassines. Ihrer Schätzung nach haben nur etwa sechs Prozent der Landwirt*innen in den jeweiligen Regionen Zugang zu dem gespeicherten Wasser. Die FNSEA argumentiert dagegen, die Speicherung von Wasser im großen Stil sei nötig, um Frankreichs Nahrungsmittelsouveränität zu gewährleisten. Kritiker*innen betonen aber, dass eine künstliche Bewässerung für den Anbau vieler Getreidesorten gar nicht nötig sei. Aber Mais-Produzent*innen greifen auf die Wasserspeicher zurück, da Mais sehr empfindlich auf Trockenheit reagiert. Dieser Mais ist allerdings oft für den Export bestimmt und wird an Tiere verfüttert. Er wird also überwiegend nicht für die direkte Ernährung von Menschen angebaut.

An der Frage der Wassernutzung zeichnet sich der Konflikt zwischen einer profitorientierten, auf Monokulturen basierenden Landwirtschaft und einer nachhaltigen Landnutzung im kleineren Maßstab ab. Aktivist*innen wie Inés kritisieren die Haltung des französischen Staats in diesem Streit. »Was uns sehr empört ist, dass die Méga-Bassines zu 70 Prozent vom Staat finanziert werden. Und die Kosten sind wirklich immens, ein Bauprojekt von ein paar Bassines kann schnell 40 oder 60 Millionen Euro betragen. Da sie nur wenigen Großlandwirten zugutekommen, das ist einfach keine gerechte Verteilung von öffentlichen Geldern.«

Um sich über Möglichkeiten einer nachhaltigeren Wassernutzung zu informieren und auszutauschen, kamen am vorletzten Wochenende über 30 000 Menschen im westfranzösischen Poitou zu einem Protestcamp zusammen. Dazu aufgerufen hatten das regionale Kollektiv Bassines Non Merci, die Gewerkschaft Confédération Paysanne und die Bewegung Soulèvements de la Terre (Erhebung der Erde), die lokale Klimakämpfe ein ganz Frankreich verbindet. In einer Protestaktion pflanzten Mitglieder der Confédération Paysanne über 300 Meter Hecken, um auf die Notwendigkeit eines wassersparenden, biodiversen Landwirtschaftsmodells hinzuweisen.

Doch es blieb nicht friedlich. Auf einer Großdemonstration in Sainte Soline kam es zu massiver Polizeigewalt. Als es Teilen des Demonstrationszuges gelang, auf eine Baustelle eines Méga-Bassines zu gelangen und ein zentrales Rohr und eine Pumpe zu beschädigen, wurden sie von Polizist*innen mit Blend- und Tränengasgranaten beschossen – mit verheerenden Auswirkungen: Nach Angaben der Veranstalter*innen des Protestwochenendes wurden mindestens 200 Personen verletzt. »Wir sind sehr geschockt über das, was passiert ist«, erklärt Inés. Eigentlich war das ganze Wochenende über eine fröhliche, ausgelassene Stimmung. Wir haben uns gefreut, dass so viele Leute zusammengekommen sind, um gegen den verschwenderischen Umgang mit Wasser zu protestieren.

Die Aktivistin sieht die enorme Gewaltbereitschaft der Polizei auch als Folge eines in den letzten Jahren immer rauer werdenden Tons gegenüber den Klimaprotesten in der Öffentlichkeit. Bei einer Demonstration gegen Méga-Bassines in der Region im Oktober 2022 beschädigten Teilnehmer*innen Leitungen von Wasserbecken, sodass gestautes Wasser wieder in den Boden sickerte. Frankreichs Innenminister Gerald Darmanin sprach daraufhin mehrfach von »Ökoterrorismus«. Inés berichtet von zunehmenden Repressionen gegen die Organisator*innen der Protestbewegung: »Der Widerstand gegen die Méga-Bassines scheint den Machthabenden wirklich ein Dorn im Auge zu sein«, meint sie »Auf das Haus des Sprechers von Soulèvements de la Terre waren in letzter Zeit mehrfach Kameras und Mikrofone gerichtet und letztens hat er unter seinem Auto ein GPS-Sender gefunden. Und immer wieder werden unsere Aktionen als kriminelle Sabotage dargestellt, aber diesen Begriff lehnen wir ab.«

Stattdessen bezeichnen französische Klimaaktivist*innen ihr Handeln als »Maßnahmen einer Entwaffnung«. Die Bewegung Soulèvements de la Terre betont, es gehe ihr darum, »Waffen«, die große Umweltprobleme verursachten, unschädlich zu machen. Dabei sei es notwendig, sehr vielfältig vorzugehen, um Druck aufzubauen: also mit Öffentlichkeitsarbeit, Klagen und zivilem Ungehorsam. Ihr Ziel sei es, Allianzen zwischen betroffenen Regionen und überregionalen Kollektiven aufzubauen und eine Bewegung des Widerstands und der Landumverteilung zu schaffen.

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