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Der Karlsruher Fußball-Weg

Modernes Stadion, alte Probleme: Beim KSC spiegelt sich der Grundkonflikt im Profifußball wider

Spielen im neuen Stadion: Ein modernes Fußball-Eigenheim gilt als Basis im professionellen Sport, in Karlsruhe bringt es auch Probleme.
Spielen im neuen Stadion: Ein modernes Fußball-Eigenheim gilt als Basis im professionellen Sport, in Karlsruhe bringt es auch Probleme.

Der Südwesten der Fußballrepublik steht derzeit für beste Unterhaltung – zumindest, wenn man sich für die 2. Bundesliga interessiert und auf Trash-TV steht. Der SV Sandhausen hat am Wochenende seinen Trainer Thomas Oral entlassen. Dem hatte man gerade einmal sechs Wochen Zeit gegeben, den Abstieg zu vermeiden, nachdem man zuvor Alois Schwartz gefeuert hatte, der darauf in Rostock anheuerte.

Beim badischen Nachbarn Karlsruher SC ging es in den vergangenen Monaten vergleichsweise beschaulich zu. Doch mit der Ruhe ist es in der Juristenstadt seit knapp zwei Wochen schon wieder vorbei. Nach der Trennung von Sportdirektor Oliver Kreuzer fechten zwei Lager in bemerkenswerter Offenheit ihre Differenzen aus: Wüste Beschimpfungen halten in den sozialen Medien die Ausschläge hoch. Zwischenzeitlich wurden Unterschriften für die Wiedereinsetzung Kreuzers gesammelt, eine außerordentliche Mitgliederversammlung sollte einberufen werden – die scheint mittlerweile vom Tisch.

Dabei verbirgt sich hinter der Trennung von dem seit 2016 amtierenden Sportdirektor ein Grundsatzkonflikt, der viele Vereine in der Branche betrifft: Der KSC spielt seit einigen Monaten im runderneuerten Wildpark. Aus dem alten Klotz mit Laufbahn ist eine hochmoderne Arena geworden. Vor allem durch die Einnahmen aus den Hospitality- und VIP-Bereichen wollte man mittelfristig in andere finanzielle Dimensionen vorstoßen. Das scheint allerdings weit schlechter zu funktionieren als budgetiert. Dass der Hospitality-Bereich (viel Geld für Komfort und Essen bezahlen und nebenher Fußball gucken) nicht die erhofften Einnahmen für künftige Investitionen in den Spielerkader bringen wird, steht schon fest.

Da ist es nur logisch, dass der Blick der Verantwortlichen auf den sportlichen Bereich fällt – nicht nur auf die Tabelle. Dort stehen die Karlsruher auf Platz neun, mehr als ordentlich bei einem der kleinsten Zweitliga-Etats. Allerdings würde abgesehen vom derzeit verletzten Tim Breithaupt kein Spieler eine erwähnenswerte Ablösesumme einbringen. Das ist misslich, denn der Verein ist darauf angewiesen, Talente zu verpflichten oder zu entwickeln, um sie im Idealfall später teuer verkaufen zu können. Doch das gelang zuletzt unter Kreuzers Vorgänger Jens Todt.

Eine interne Analyse hat wenig überraschend ergeben, dass der KSC in den Bereichen Sponsoring, Ticketing und Merchandising im Ligadurchschnitt liegt – die Hospitality-Plätze werden dabei nicht erwähnt. Nur Einnahmen durch Spieler-Transfers erwirtschafte man halt so gut wie nie.

Der ehemalige Bayern-Innenverteidiger Kreuzer ist konzeptionell eher der alten Schule zuzurechnen. Fragen, wo er den KSC in zwei Jahren sehe, beantwortete er Journalisten gerne mit einer abwinkenden Handbewegung und dem Hinweis, dass es jetzt um das nächste Spiel gehe. Die Abmeldung der eigenen U23 im Jahr 2018 – auch das eine Sünde für einen selbsternannten »Ausbildungsverein« – hat Kreuzer indes nicht zu verantworten. Er hat sich ihr allerdings auch nicht entgegengestellt. Auch der Aufbau einer halbwegs konkurrenzfähigen Scouting-Abteilung wurde lange vernachlässigt. So mancher eklatante Fehleinkauf der letzten Jahre dürfte auch dadurch zu erklären sein.

Eine solche Vorgehensweise passt aber so gar nicht zum eingeschlagenen Karlsruher Weg: Unter Präsident Holger Siegmund-Schultze, der seit Juli 2020 im Amt ist, hat sich der Verein vorgenommen, selbstbestimmter und konzeptioneller zu agieren. Seither wird verstärkt in die Infrastruktur und die Geschäftsstelle investiert.

Der KSC ist nicht der einzige Verein, bei dem solch Prioritätensetzung für Konflikte sorgt. Denn naturgemäß wird der sportliche Bereich an kurzfristigen Erfolgen gemessen – und ist um jeden Euro froh, der in Beine statt Steine investiert wird. Wo man sich auch umhört in der zweiten Liga – nicht selten klagt der sportliche Bereich darüber, dass auf der Geschäftsstelle über alles Mögliche nachgedacht wird, nur nicht über Fußball.

Bei anderen Vereinen wie Sandhausen lautet das Lamento umgekehrt: Jeder Euro werde in (hier bitte ein Schimpfwort Ihrer Wahl einsetzen) Spieler investiert. Doch die Infrastruktur bleibe amateurhaft. Die große Kunst, Profikader, Infrastruktur und Nachwuchsbereich gleichzeitig zu entwickeln, beherrschen nur die wenigsten der 36 Erst- und Zweitligisten. Und immer wieder werden ausgerechnet die Führungskräfte – Trainer und Sportdirektoren – nach wirren, aktionistischen Kriterien ausgewählt. Kurz darauf müssen dann wieder hohe Abfindungen gezahlt werden, die den Handlungsspielraum gen null treiben. So wie in Sandhausen, wo demnächst der dritte Trainer der Saison bezahlt werden muss.

Oder wie in Karlsruhe, wo man all das, was man Kreuzer vorwirft, auch schon vor Jahren hätte wissen können. Endgültig zum Verhängnis sind dem 57-Jährigen aber die veränderten Mehrheitsverhältnisse im Beirat geworden. Der hatte noch im August mit einer 3:2-Mehrheit Kreuzers Vertrag bis 2025 verlängert. Nach einer Neuwahl votierte nun eine 3:2-Mehrheit für dessen Abberufung. Das Hin und Her innerhalb eines halben Jahres sorgt dafür, dass Kreuzer – in diesem Verein bleiben Zahlen selten geheim – mit über 600 000 Euro Abfindung rechnen darf. Eine gigantische »Geldverbrennung« sieht darin Vizepräsident Martin Müller, der im Beirat bei der Abstimmung unterlag und sich nun dem Vorwurf ausgesetzt sieht, Demokratie nur dann gutzuheißen, wenn er sich durchsetzen könne.

Gut möglich, dass sich die Aufregung in Karlsruhe bald wieder legt. Trainer Christian Eichner, der innerhalb der Mannschaft ebenso unumstritten ist wie bei den Fans, erweckt jedenfalls nicht den Eindruck, als habe er seit dem Kreuzer-Rauswurf schlechtere Laune als zuvor. Und angeblich überlegt sich ein ehemaliger Nationalspieler ernsthaft, in der kommenden Saison zu seinem Ausbildungsverein zurückzukehren, dessen Fan er noch immer ist: Lars Stindl hat in der Nähe von Karlsruhe ein Haus gebaut. Und der Noch-Gladbacher hat in den vergangenen Jahren offenbar so viel Geld verdient, dass er sein Karriereende auch bei stark reduzierten Bezügen – im sechsstelligen Bereich – fristen würde.

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