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Berliner Verwaltung: Digitalisierung gegen Nachwuchsproblem

Der demografische Wandel stellt den Landesdienst vor massive Herausforderungen, wie eine Datenanalyse der Finanzverwaltung zeigt

Lange Zeit wurde im Land Berlin am Personal gespart. Nun hat es der öffentliche Dienst mit dem zu tun, was Jana Borkamp (Grüne), Staatssekretärin der Finanzverwaltung, als »interessante Alters-Gaps« bezeichnet: Bis zum Jahr 2031 rechnet der Senat mit voraussichtlich knapp 40 000 Menschen, die altersbedingt aus dem Landesdienst ausscheiden werden. Es sind rund 30 Prozent aller derzeit Beschäftigten.

»Wir haben beschlossen, uns dem Thema strategischer zu widmen«, sagt Borkamp, die am Donnerstag den verhinderten Noch-Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) bei einem seiner womöglich letzten Termine vertritt. Auf Grundlage einer umfangreichen Datenanalyse will die Finanzverwaltung Wege finden, um die nahende Flut an Abgängen auszugleichen. Die Zahlen wirken bedrohlich. Über 30 Prozent des Landespersonals befindet sich im Alter zwischen 50 und 60, über 15 Prozent sind jenseits der 60 Jahre. Hinzu kommt eine »nicht-kalkulierbare Fluktuation«, wie Borkamp erklärt. Mitarbeiter*innen verabschieden sich vorzeitig in den Ruhestand oder wechseln in die freie Wirtschaft.

Besonders große Sorgen bereiten die Lücken in sogenannten Engpassberufen. Es geht um Beschäftigte aus sozialen Bereichen, aus dem Bau und der Naturwissenschaft: Bis 2027 werden sich aller Voraussicht nach 32 Prozent der Lehrkräfte, 35 Prozent der Erzieher*innen und 43 Prozent der Sozialarbeiter*innen aus dem Dienst verabschieden. Bei den Ingenieur*innen sind es 26 Prozent.

»Ein Teil der Lösung ist die Digitalisierung, ein anderer Teil ist gutes Personal«, sagt Borkamp. Alte Abläufe zu modernisieren, könne nicht nur dafür sorgen, mit weniger Personal mehr zu leisten. Es erhöhe zugleich die Attraktivität des Arbeitsplatzes, Beispiel Homeoffice: »Ob die Behörde Tele-Arbeit ermöglicht, kann für Beschäftigte ganz entscheidend sein.« Der öffentliche Dienst könne es sich nicht leisten, dass dicke Akten durch die Gegend getragen würden, wo eigentlich viel unkomplizierter gearbeitet werden könnte. »Wir müssen mithalten, was den Arbeitsalltag angeht«, ergänzt die Staatssekretärin.

Sowohl Menschen mit akademischem Abschluss als auch Quereinsteiger*innen können im öffentlichen Dienst Fuß fassen. Doch bei der Frage, welche Ausbildung am Ende als Qualifikation zugelassen werde, müsse das Land auf der Suche nach Arbeitskräften noch flexibler werden, so Borkamp. Hinzu kommt die Ausbildung eigenen Nachwuchses, die gerade in Bereichen wie dem Polizeivollzugsdienst, dem Justizvollzugsdienst oder dem allgemeinen Verwaltungsdienst zwingend notwendig ist.

Konkurrenz beim Kampf um Arbeitskräfte bekommt das Land Berlin nicht nur aus der freien Wirtschaft, sondern auch aus dem Bund. Die Vorzüge im Landesdienst sieht Borkamp darin, dass Beschäftigten hier mehr Entscheidungsspielraum hätten. Nicht bei jeder Mail müsse die oder der Vorgesetzte ins CC gesetzt werden, wie es beim Bund teilweise der Fall sei. Bei beiden aber gebe es einiges an Verbesserungspotenzial. »Der Umgang mit Hierarchie in den Verwaltungen ist einer, der auf den Prüfstand muss«, sagt Borkamp. »Man hat da noch rechtlichen Spielraum.«

In ihrem Bericht fordert die Finanzverwaltung, all das zu festigen und gezielt zu bewerben, was den öffentlichen Dienst auszeichnen sollte: eine sichere Beschäftigung, gute Bezahlung, Familienfreundlichkeit und Karriereperspektiven. Für Zufriedenheit sorge auch, dass es »Aufgaben mit einem Mehrwert« gebe. Dass es Berlin gelingen wird, die Abgänge der kommenden Jahre vollständig auszugleichen, hält die Staatssekretärin dennoch für unrealistisch.

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