Nachverdichtung in Berlin: Kampf gegen die Kettensägen-Kommandos

Pankower demonstrieren vor dem Abgeordnetenhaus gegen die Zerstörung ihrer grünen Höfe

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.
Wird der neue Senat bei der Nachverdichtung auf die Bremse treten?
Wird der neue Senat bei der Nachverdichtung auf die Bremse treten?

»Seit über einem Monat hat niemand mehr mit uns gesprochen. Es hieß, dass man bis zum Antritt des neuen Senats nichts ausrichten könne«, sagt Britta Krehl. Mit einigen weiteren Getreuen steht die Sprecherin der Initiative Grüner Kiez Pankow um 9 Uhr morgens vor dem Berliner Abgeordnetenhaus, drei Stunden, bevor Kai Wegner (CDU) zum neuen Regierenden Bürgermeister gewählt und anschließend der neue Senat ernannt werden soll. Sie kämpfen weiter für den Erhalt ihres grünen, mit großen Bäumen bestandenen Innenhofs nahe des Pankower Schlossparks.

Seit vier Jahren tun sie das und der Kampf schien fast gewonnen, als der Bezirk Pankow mit der Aufstellung eines Bebauungsplans die Baupläne des Landes-Wohnungsunternehmens Gesobau in der bisherigen Form stoppen wollte. Doch die Verwaltung des diesen Donnerstag scheidenden Bausenators Andreas Geisel (SPD) erteilte über das Sonderbaurecht für Geflüchtetenunterkünfte im März eine Baugenehmigung für das umetikettierte Projekt. Auch die Fällgenehmigung für die Bäume liegt bereits vor, sie dürften sogar innerhalb der laufenden Vegetationsperiode abgeholzt werden. Noch ist aber wohl bis Ende Juni ein Experte im Auftrag der Gesobau zugange, um sogenannte Lebensstätten von Vögeln und anderen Tieren zu identifizieren.

»Wir haben also noch ein Zeitfenster, um den Bau doch noch verhindern zu können«, sagt Britta Krehl. Die Initiative fordert ein sofortiges Fällmoratorium, die parlamentarische Überprüfung durch den neuen Stadtentwicklungsausschuss und Petitionsausschuss, eine Eigentümer-Anweisung des Landes an die Gesobau, das zerstörerische Vorhaben ad acta zu legen sowie die Fertigstellung des sogenannten Klima-B-Plans durch den Bezirk Pankow als Kompromisslösung. »Wir haben kein Problem mit der Unterbringung von Geflüchteten und auch nicht mit dem Wohnungsbau. Aber nicht in dieser zerstörerischen Form«, unterstreicht Britta Krehl.

Ein paar Minuten lang gesellt sich die Grünen-Abgeordnete Antje Kapek zur Initiative. »Wir sind gegen neue Versiegelung und für den Erhalt von Grün«, sagt sie. Und auch der ehemalige Bausenator und nun einfache Abgeordnete Sebastian Scheel (Linke) spricht kurz mit den Aktivistinnen und Aktivisten. Mit »Tricks und Dollerei« habe Andreas Geisel den Bau durchgedrückt, lamentiert er. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass erst massiver Druck von Pankower Parteifreunden ihn in seiner Amtszeit von den auch von ihm forcierten Bauplänen abrücken ließ.

Ein wenig hoffen lässt die Pankower Initiative der Koalitionsvertrag von CDU und SPD, in dem es etwas vage heißt: »Zur Reduzierung des Flächenverbrauchs setzen wir nach Möglichkeit auf Baupotenziale auf versiegelten oder belasteten Flächen. Das dient auch dem Erhalt von grünem Wohnumfeld wie beispielsweise grünen Innenhöfen.« Ob sich mit solchen Puddingsätzen jemand politisch festnageln lässt, ist allerdings offen.

Dass möglicherweise mit der CDU in der Regierung, die mit Opposition gegen Nachverdichtung massiv Wahlkampf in den Außenbezirken gemacht hat, ein anderer Wind weht, zeigt allerdings ein Fall aus Marzahn-Hellersdorf. Gegen den Willen des Bezirks soll die Gesobau auf drei grünen Innenhöfen zusammen rund 350 Wohnungen errichten. Am vergangenen Dienstag hätte die Staatssekretärsrunde der Senatskommission Wohnungsbau den definitiven und bereits formulierten Beschluss dazu fassen sollen. Doch kurzfristig wurde der Punkt von der Tagesordnung genommen. Man wolle die Bildung des neuen Senats und Bezirksamts abwarten, hieß es zur Begründung.

Auch im Lichtenberger Ilse-Kiez kämpft die Nachbarschaft weiter gegen die von der landeseigenen Howoge geplante Hofbebauung. Seit dieser Woche werden Unterschriften für einen Antrag an das Abgeordnetenhaus gesammelt. Per Gesellschafteranweisung soll die Howoge dazu gebracht werden, ihre Bauanträge zurückzuziehen, der Bezirk das Bebauungsplanverfahren weiterführen können.

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