Werbung
  • Wissen
  • Dr. Schmidt erklärt die Welt

Elon Musk und »TruthGPT«: Gibt es die absolute Wahrheit?

In Konkurrenz zum Chatbot »ChatGPT« plant der Milliardär die Entwicklung einer neuen KI

Gibt es die absolute Wahrheit?

Seit einiger Zeit begeistert und beunruhigt viele der KI-Chatbot »Chat GPT«. Elon Musk will nun in Konkurrenz dazu »Truth GPT« entwickeln lassen. Diese Künstliche Intelligenz soll nicht weniger als die absolute Wahrheit suchen. Geht das überhaupt?

Dr. Schmidt erklärt die Welt
Als Universalgelehrter der nd.Redaktion weiß der Wissenschaftsredakteur Dr. Steffen Schmidt auf fast jede Frage eine Antwort – und wenn doch nicht, beantwortet er eben eine andere. Alle Folgen zum Nachhören auf: dasnd.de/schmidt

Da stoßen mir gleich mehrere Sachen auf: Einerseits das Grundproblem aller Künstlichen Intelligenzen, dass wir eigentlich bis heute keine allgemein akzeptierte Definition von Intelligenz haben. Dann natürlich die Frage nach dem Wahrheitsbegriff. Da sitzen Philosophen schon seit Jahrtausenden dran, mit eher mäßigem Erfolg. Der Marxismus-Leninismus hatte sich dann unter Berufung auf Lenin überlegt, dass es zwar eine absolute Wahrheit gäbe, wir uns der aber nur schrittweise über relative Wahrheiten annähern könnten.

Alles ist höchstens die Interpretation eines Zustands.

Und wenn sich die KI von Musk mit dem Universum beschäftigen will, klingt das nach exakter Wissenschaft. Da hat man ja – siehe Physik – noch einigermaßen klare Vorstellungen davon, wie Aussagen auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft werden können. Das ist in den Geistes- und Sozialwissenschaften schon umstrittener. Aber selbst bei der Astrophysik ist es nicht ganz so trivial. Wenn wir uns Theorien etwa über die Entstehung von Sternen ausdenken, lassen sich die experimentell schon nicht mehr so einfach überprüfen. Was also wäre das Wahrheitskriterium? Ich habe die ungute Befürchtung, es läuft auf die Wahrheiten hinaus, die man auch aus Diktaturen und Theokratien kennt. Wer die Macht hat, in dem Falle über diese KI, entscheidet dann, was die Wahrheit ist.

Elon Musk kritisiert an »Chat GPT« insbesondere die Berücksichtigung politischer Korrektheit. Ist die nicht gerade ein Weg, lange fälschlicherweise als wahr geltende Aspekte wie Hierarchien und Ausbeutungsverhältnisse zu korrigieren?

Mit der politischen Korrektheit ist das Problem: Sobald sie zum Dogma erhoben wird und dahinter Macht steht, wird auch die Korrektur von alten Ungerechtigkeiten leicht wieder zu einer neuen Ungerechtigkeit. Mit Algorithmen lässt sich dieses Problem nicht lösen. Und da kommt dann auch ein Problem dazu, das bei der Debatte über KI aus dem Blick gerät: Die menschliche Intelligenz verdankt viel der Tatsache, dass sie in einem Körper steckt, der mit der Umwelt in physische Wechselwirkung tritt. Ein Computersystem kann diese Welt nur indirekt verändern. Das Werkzeug dazu können natürlich Menschen sein, die glauben, dass diese Intelligenz bessere Ideen liefert als ihr eigener Kopf. Das haben wir schon in bestimmten bürokratischen Akten wie bei der Schufa, wo wir auch einem Algorithmus Macht über Menschen und deren Leben einräumen. Und da ist der unangenehme Punkt: Wenn jemand wie Elon Musk oder andere Superreiche Verantwortliche in Staat und Gesellschaft davon überzeugen, dass die KI-Ergebnisse nützlich sind, dann besteht die Gefahr, dass Dinge, die wir nur ansatzweise verstehen, Macht über unser Leben haben.

Was können denn Sicherheitsstandards sein bei der Entwicklung von KI? Vielleicht, dass nicht nur Milliardäre da mitmischen dürfen?

Das ist die spannende Frage, KI-Forschung ist schließlich teuer. Amerikaner und Deutsche verkörpern da im Schnitt diametral entgegengesetzte Positionen: Die Amerikaner glauben, dass es am schlimmsten wäre, wenn so was der Staat macht, weil der sie alle unterjochen würde. Europäer glauben eher – zumindest Deutsche –, dass es besser wäre, der Staat würde es machen, weil Milliardären nicht zu trauen ist. Beide Positionen haben gute Gründe. Der deutsche Staat hat mit viel Geld schon viel Schaden angerichtet in der Geschichte. Milliardäre desgleichen. Aber wenn du Innovationen blockierst, ist das auch tückisch. Unsere bisherige Geschichte ist vor allem die Geschichte von erfolgreichen und weniger erfolgreichen Innovationen. Wir wären heute nicht da, wo wir sind, sowohl bei den schlechten als auch bei den guten Sachen, wenn das alles immer von irgendjemandem reguliert worden wäre.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal