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Jubel nach der Stichwahl für das türkische Präsidentenamt

Mit Autokorsos und Sprechchören, türkischen Flaggen und Feuerwerk feierten im Ruhrpott Erdoğans Fans dessen Wahlsieg

  • David Bieber
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Duisburger Norden hat der Staatspräsident der Türkei besonders viele treue Fans: In den Stadtteilen Hamborn und Marxloh feierte eine große Menschenmenge auf den Straßen den Wahlerfolg Recep Tayyip Erdoğans bei der Stichwahl am Sonntag. Bis zu 5000 Menschen haben laut Angaben der Duisburger Polizei mehrstündige Hupkonzerte und kilometerlange Autokorsos abgehalten. Der Verkehr in beiden Stadtteilen kam zeitweise zum Erliegen.

Am Sonntagabend sah man junge Männer mit türkischen Nationalflaggen auf das Dach einer Straßenbahnhaltestelle vor dem Amtsgericht in Duisburg-Hamborn klettern. Aus der Menge um sie herum erklangen immer wieder Sprechchöre. Die Duisburger Polizei betont, dass friedlich gefeiert worden sei.

Eingreifen mussten die Beamten vor allem wegen der Verkehrsbehinderungen und weil immer wieder Böller, bengalische Fackeln und Rauchtöpfe gezündet wurden. Die Polizei schrieb entsprechend Anzeigen. Die Feiernden schien das aber nicht weiter zu stören.

Insgesamt strömten nach Angaben der Behörde »nochmal deutlich mehr Menschen als am Abend nach dem ersten Wahlgang auf die Straßen von Duisburg«, wo es eine der größten türkischen Gemeinden in Deutschland gibt. Schon bevor Erdoğan als sicherer Sieger feststand, stimmten Einheizer über Mikrofone immer wieder Gesänge und Sprechchöre an wie »Re-cep Tay-yip Er-do-gan« und »Türkiye, Türkiye, Türkiye« im Stakkato. Nur vereinzelt waren »Allah büyüktür«-Rufe zu hören (Allah ist groß).

Auch im Duisburger Süden gab es Hupkonzerte und auch hier waren türkische Flaggen zu sehen. Eine ältere Dame schwang euphorisch eine Fahne mit dem Konterfei von Erdoğan. Für die Familie in der Türkei oder in anderen deutschen oder europäischen Städten wurde gern mit dem Handy die Machtdemonstration der Erdoğan-Fans in Duisburg festgehalten.

In der größten Ruhrgebietsstadt Dortmund bot sich ein ähnliches Bild. Die hiesige Polizei griff etwas vehementer durch. Neben Strafanzeigen und Verwarnungsgeldern hagelte es 82 Platzverweise. Das Geschehen fassen die Ordnungshüter so zusammen: »Die Dortmunder Polizei reagierte am Sonntagabend ab 19.15 Uhr und in der Nacht zu Pfingstmontag auf das Verhalten von Autofahrerinnen und -fahrern, die nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses in der Türkei unentwegt hupend und mit laut aufheulenden Motoren durch die Innenstadt fuhren und den Verkehr auch am Borsigplatz blockierten.« Dort, wo am Tag zuvor eigentlich in Schwarz-Gelb die deutsche Fußballmeisterschaft gefeiert werden sollte, griff ein Teilnehmer des Autokorsos einen Polizisten an und landete im Polizeigewahrsam.

Auf den Siegesfeiern im Pott zeigten vor allem einige jüngere Erdoğan-Fans immer wieder den sogenannten Wolfs-Gruß, das Erkennungszeichen der rechtsextremistischen »Grauen Wölfe«. Für Fatma Karacakurtoglu, Stadträtin der Partei Die Linke in Dortmund, ist das nicht verwunderlich. Im Gespräch mit »nd« betont sie: »Selbstverständlich unterstützen die Grauen Wölfe Erdoğan. Ihr politischer Arm, die MHP, koaliert mit ihm.« Laut Karacakurtoglu sei die »Wahlparty« erst gegen drei Uhr morgens zu Ende gewesen.

Erdoğan und seine AKP schnitten unter den Wählern im Ruhrgebiet stärker ab als insgesamt in Deutschland. Rund 1,5 Millionen hier lebende türkische Staatsbürger waren aufgerufen, ihre Stimme abzugeben, rund die Hälfte ging zur Wahl. Der tükischstämmige Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) kritisierte auf Twitter die Autokorsos der Erdoğan-Anhänger in Deutschland. Diese seien »eine nicht zu überhörende Absage an unsere pluralistische Demokratie und Zeugnis unseres Scheiterns unter ihnen. Übersehen geht nicht mehr«, so Özdemir.

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