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Wadephul glaubt nicht an rasche Rückkehr von Syrern
Bei seinem ersten Besuch in Syrien sieht Außenminister Wadephul, wie viel in dem einstigen Bürgerkriegsland aufgebaut werden muss
Der Bundesaußenminister ist auf großer Tour durch Länder des Nahen Ostens. Die wichtigste Station vor seinem Besuch im Libanon am Freitag dürfte einen Tag zuvor seine Visite in Syrien gewesen sein.
Dort besichtigte Johann Wadephul unter anderem Harasta, einen Vorort der Hauptstadt Damaskus, der im 13-jährigen Bürgerkrieg stark verwüstet wurde. Er zeigte sich erschüttert. Ein solch großes Ausmaß an Zerstörung habe er persönlich noch nicht gesehen, sagte der CDU-Politiker. Angesichts dessen rechne er nicht damit, dass kurzfristig eine große Zahl syrischer Geflüchteter freiwillig in ihr Heimatland zurückkehrt. »Hier können wirklich kaum Menschen richtig würdig leben«, räumte er ein. Generell sei sehr viel Infrastruktur in Syrien zerstört.
Die syrische Interimsregierung schätze die in Deutschland ausgebildeten jungen Syrer. Sie könnten aber frei entscheiden, welchen Weg sie wählen, versicherte Wadephul. »Jeder, der bei uns bleibt und sich bei uns in unsere Gesellschaft einbringt, integriert arbeitet«, sei in Deutschland weiter willkommen. Zu Rückführungen einzelner schwerer Straftäter sei das Ministerium mit dem syrischen Außenministerium in Kontakt, sagte er.
»Wenn Deutschland an einem freien und stabilen Syrien interessiert ist, sollte der Minister mit den Kurd*innen in Nord- und Ostsyrien, mit den Drus*innen im Süden und mit Vertreter*innen der Zivilgesellschaft sprechen und nicht mit jenen, die eine neue autoritäre Ordnung errichten wollen.«
Cansu Özdemir Bundestagsfraktion Die Linke
Zuvor hatte Wadephul bei seinem ersten Besuch seit seinem Amtsantritt in Damaskus Interimspräsident Ahmed Al-Scharaa und Außenminister Asaad Al-Schaibani getroffen. Von beiden verlangte er, der Bevölkerung des Landes »ein Leben in Würde und Sicherheit« zu garantieren. Nötig sei die Einbeziehung aller Bürger unabhängig von Geschlecht, religiöser, ethnischer oder gesellschaftlicher Zugehörigkeit, mahnte der Politiker. Deutschland strebe »freundliche Beziehungen« mit dem Land an. Wadephul erklärte: »Wir haben ein grundsätzliches Vertrauen in den neuen syrischen Weg, inklusiv voranzugehen. Wir setzen darauf, dass dieser fortgesetzt wird.«
Hilfen angekündigt
Wadephul kündigte Hilfen für Syrien, den Libanon und Jordanien angesichts der humanitären Krisen in den Ländern an. Es soll zusätzliche Hilfsmittel in Höhe von bis zu 52,6 Millionen Euro geben. Von den zusätzlichen Geldern entfallen nach Angaben des Auswärtigen Amtes rund 39,4 Millionen Euro auf Syrien, 5,25 Millionen auf den Libanon und 8 Millionen auf Jordanien. Die Gelder sollen internationalen humanitären Organisationen sowie Nichtregierungsorganisationen zugutekommen, die sich in den Bereichen Ernährungssicherung, Schutzmaßnahmen, Unterkünfte und Gesundheit engagieren.
Deutschland hat 2025 bisher rund 81 Millionen Euro an humanitärer Hilfe für Syrien zugesagt. Wadephul erklärte, durch humanitäre Hilfe, Unterstützung bei der Räumung von Minen und Kampfmitteln sowie durch Investitionen in die Wirtschaft arbeite Deutschland am neuen Fundament für das Land mit. Was immer in Syrien passiere, »hat auch direkte und indirekte Auswirkungen auf uns in Deutschland«.
Deutschland wird nach Angaben von Wadephul seinen Beitrag als größter Geber für den sogenannten leistungsfähigen Wiederaufbaufonds Syriens um 4 Millionen Euro erhöhen. Die Mittel daraus sollen dazu beitragen, das Leben von Menschen in Syrien zu verbessern und jene unterstützen, die zurückkehren wollen. Mit seiner zehnten Einzahlung hat Deutschland demnach insgesamt 110 Millionen Euro zum Fonds beigesteuert.
Geld fließt auch an die Vereinten Nationen, um Personen, die während der Assad-Herrschaft Menschenrechte verletzt haben, zur Rechenschaft zu ziehen. Seit Dezember vergangenen Jahres waren es insgesamt 4 Millionen Euro.
Lage in Syrien unübersichtlich
Knapp ein Jahr nach dem Sturz von Machthaber Baschar Al-Assad bleibt die Lage in Syrien unübersichtlich und gefährlich. Es kommt immer wieder zu Gewaltausbrüchen, bei denen zum Teil Hunderte Menschen getötet wurden. Interimspräsident Al-Scharaa war zuvor der Kopf der islamistischen Miliz Haiat Tahrir Al-Scham (HTS).
Cansu Özdemir, Sprecherin für Außenpolitik der Linksfraktion im Bundestag, kritisierte, dass das Treffen Wadephuls mit Al-Scharaa zur »Normalisierung der HTS und anderer reaktionärer Akteure« führen könne. Es sei ein »fatales Signal«, dass der Außenminister »ausgerechnet die von islamistischen Kräften kontrollierten Gebiete« besuche, statt »denjenigen seine Solidarität zu zeigen, die den sogenannten IS besiegt und für Demokratie, Frauenrechte und Selbstbestimmung gekämpft haben«. Wenn Deutschland an einem »freien und stabilen Syrien« interessiert sei, »sollte der Minister mit den Kurd*innen in Nord- und Ostsyrien, mit den Drus*innen im Süden und mit Vertreter*innen der Zivilgesellschaft sprechen und nicht mit jenen, die auf den Trümmern der Assad-Diktatur eine neue autoritäre Ordnung errichten wollen«, forderte Özdemir.
Syrien war die zweite Station von Wadephuls Reise in den Nahen Osten. Zuvor hatte er bereits politische Gespräche in Jordanien geführt. Am Freitag traf er Regierungsvertreter im Libanon. Zum Abschluss seiner Reise nimmt er am Samstag an einer Sicherheitskonferenz in Bahrein teil.
Außenminister Johann Wadephul will sich in der EU für einen Nachfolgeeinsatz für die 2026 auslaufende UN-Beobachtermission Unifil vor der libanesischen Küste einsetzen. In Beirut teilte er mit, die Bundesregierung denke über die Zeit nach dem Auslaufen des Unifil-Mandats der Uno nach, das zur Stabilisierung der Situation an der Grenze zwischen Libanon und Israel beitragen soll. »Die Stabilität in der Region hier ist eine Voraussetzung für Sicherheit und Stabilität in Europa und in der Bundesrepublik Deutschland«, sagte der CDU-Politiker bei einem Besuch der Bundeswehrfregatte »Sachsen-Anhalt«, die im UN-Rahmen vor der libanesischen Küste den Seeraum überwacht.
Keine Regelung für an Rückkehr Interessierte
Derweil teilte das Bundesinnenministerium am Freitag mit, dass Syrer, die in die alte Heimat reisen, weiterhin grundsätzlich ihren Schutzanspruch in Deutschland verlieren. Sie bekommen also nicht die Möglichkeit, sich in der alten Heimat ein Bild von der Lage zu machen, um feststellen zu können, ob diese eine Rückkehr erlauben würde. »Das Bundesministerium des Innern hat sich nach eingehender Prüfung dagegen entschieden, kurzzeitige Heimreisen für Syrerinnen und Syrer ohne Auswirkungen auf den Schutzstatus zu ermöglichen«, sagte ein Sprecher am Freitag gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.
Die Ampel-Regierung hatte überlegt, solche Erkundungsreisen zu ermöglichen. Eine entsprechende Regelung für Syrer hat etwa die Türkei getroffen. Die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte die Idee, die damals wohl vor allem aus dem Auswärtigen Amt kam, zwar erst befürwortet, dann aber doch nicht umgesetzt.
Paragraf 73 des Asylgesetzes erlaubt Reisen in Herkunftsstaaten ohne Aberkennung des Schutzstatus nur in wenigen Ausnahmefällen, etwa wenn ein enger Angehöriger im Sterben liegt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte kurz nach dem Sturz von Assad alle Entscheidungen zu Asylanträgen von Syrern vorübergehend ausgesetzt. Seit Ende September entscheidet das Bundesamt nach Aussage eines Sprechers wieder über »Verfahren aus der Gruppe der jungen, arbeitsfähigen, alleinreisenden Männer«.
Syrer, die freiwillig dauerhaft in ihre Heimat zurückkehren wollten, könnten die Angebote von Beratungsstellen nutzen, um sich zu informieren, hieß es aus dem Bundesinnenministerium. Mit Agenturen
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