Der gute alte Patriotismus der Union

Deutschland so zu lieben wie den eigenen Mähroboter, ist nicht zu viel verlangt.

Vor Wohnwagen-Dauerstellplätzen flattert sie manchmal noch traurig vor sich hin: die Bundesflagge der BRD. Früher, als wir Schweini und Poldi im Halbfinale bejubelten, schwenkten wir sie im Übermut des fröhlichen Patriotismus, der im Land Einzug gehalten hatte. Wir schminkten uns schwarz-rot-gülden, und wenn ein Tor fiel, wippten die Brüste von Patriotinnen und Patrioten gleichermaßen im Takt der Ekstase unter den Deutschlandtrikots.

Doch die Vaterlandsliebe der Deutschen lässt in den letzten Jahren stark zu wünschen übrig. Leidenschaftliche Liebe empfinden nur noch die wenigsten für ihr Land. Knisternde Vaterlandserotik kommt fast gar nicht mehr auf. Das möchte der CDU-Abgeordnete Philipp Amthor ändern. Er hat für die Unionsfraktion im Bundestag einen Antrag eingereicht, der die Regierung dazu auffordert, ein »Bundesprogramm Patriotismus« zu entwickeln.

Andreas Koristka

Andreas Koristka ist Redakteur der Satire-Zeitschrift Eulenspiegel. Für »nd.DieWoche« schreibt er alle zwei Wochen die Kolumne »Betreutes Lesen«. Alle Texte unter: dasnd.de/koristka

Denn sein Land zu lieben wie den eigenen Flachbildfernseher, den Mähroboter oder die Schwiegereltern sollte zur vornehmsten Pflicht eines jeden Deutschen gehören. Um das Feuer der Liebe wieder zu entfachen, möchte die Union zunächst die »ganzjährige Sichtbarkeit nationaler Symbole – insbesondere der Bundesflagge – im öffentlichen Raum« erhöhen. Weiterhin solle es am 23. Mai, dem Geburtstag des Grundgesetzes, einen nationalen Gedenktag geben, an dem der Bundeskanzler eine Rede zur Lage der Nation halten soll.

Das klingt nach einer guten Idee. Denn wer nach einer Rede von Olaf Scholz nicht vor Nationalstolz zerbirst, der wird Deutschland wohl niemals lieben können. Trotzdem möchte die CDU/CSU noch weiter gehen: Die Nationalhymne soll öfter gesungen werden, es soll mehr öffentliche Gelöbnisse der Bundeswehr geben und Menschen, die schmierigen Lobbyismus für das nun insolvente Start-up Augustus Intelligence gemacht haben, sollen in den Status von Nationalhelden erhoben werden.

Gut, beim letzten Punkt signalisiert Amthor bereits Gesprächsbereitschaft. Aber bei anderen wird er hart bleiben wie der Aluminium-Bundesadler im Plenarsaal des Bundestags. Amthor fordert, »dass insbesondere in Ostdeutschland der zum Teil fehlende Bezug zur eigenen Nation (…) als eine Schwachstelle der Wiedervereinigung aufgearbeitet wird, aus der sich nunmehr ein besonderer Einsatz für patriotische Fragen in Ostdeutschland ergeben muss«.

Zwar ist fraglich, ob sich der Patriotismus der Ostdeutschen, die nach Umfragen mit bis zu 26 Prozent der AfD zustimmen, noch steigern lässt, aber auf den Versuch kommt es an. Und auch die zweite Sorgenminderheit des Landes hat die Union im Blick und möchte, »dass auch hierzulande lebende Ausländer von den verbindenden und einladenden Potentialen des Patriotismus angesprochen werden«. Viele der Ausländer verstehen nicht den feinen Unterschied zwischen dem »unerwünschten Nationalismus« und »wünschenswerten Patriotismus«, auf dem das CDU/CSU-Papier beharrt. Ersterer will sie erschießen und bildet Terrorgruppen wie den NSU. Zweiterer möchte sie als Farbtupfer auf dem Bürgerfest des Bundespräsidenten und für ihr ehrenamtliches Engagement auszeichnen. Da kommen viele durcheinander.

Deshalb sollten gerade die Ausländer dazu angehalten werden, die Nationalhymne zu singen, bis es auch der letzte verstanden hat. Und die Ossis singen mit! Und zwar ausnahmslos alle! Das wird man von Bürgern der besten BRD, die es jemals auf Erden gegeben hat, doch noch erwarten dürfen! Also jetzt alle: Einigkeit und Recht und Freiheiheit …

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