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Berlin: Unis warnen vor Unterfinanzierung

Die Verhandlungen zu den Hochschulverträgen erreichen die finale Phase. Schon jetzt ist unklar, ob das Geld am Ende reichen wird.

Sie sind das zentrale Element der Steuerung von Universitäten: Die Hochschulverträge. Etwa alle fünf Jahre vereinbaren Hochschulen und Land, wie viel Geld die Unis erhalten – und welche Leistungen sie dafür im Gegenzug erbringen müssen. Im Wissenschaftsausschuss am Montag stellte die Senatsverwaltung einen Vertragsabschluss »noch vor den Herbstferien« in Aussicht. »Wegen der Wiederholungswahl lagen die Vertragsverhandlungen weitgehend auf Eis«, begründete Wissenschaftsstaatssekretär Henry Marx (SPD), warum der ursprüngliche Zeitplan mit Vertragsabschluss im Sommer nicht eingehalten werde. Marx stellte Hochschulen und Senatsmitarbeiter auf »lange, intensive« Verhandlungen in den Sommerferien ein.

Die Grundpfeiler stehen. Demnach können die Hochschulen mit einem um jährlich fünf Prozent wachsenden Grundbudget rechnen. Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) bekräftigte dies erneut. Die Unis bedanken sich – aber schwächen auch Erwartungen ab. »Fünf Prozent bedeuten, dass wir den Betrieb mit Ach und Krach aufrecht erhalten können«, sagte Andreas Zarby, Präsident der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Schöneberg. Die Inflation werde den sogenannten Mittelaufwuchs von fünf Prozent wahrscheinlich auffressen. Allein bei den Baukosten hätten die Hochschulen Mehrausgaben von über zehn Prozent schultern müssen. »Wir müssen jetzt schon priorisieren«, so Zarby. Mit Sorge blicke er auf die Tarifverhandlungen bei Landesbeschäftigten im Herbst, die die Personalkosten der Hochschulen wohl weiter antreiben werden.

Zur Wahrheit gehört auch: Es handelt sich um Jammern auf vergleichsweise hohem Niveau: Die Hochschulen sind der einzige Bereich, der in den kommenden Jahren mit deutlich mehr Geld rechnen kann, während anderen öffentlichen Institutionen im Rahmen der nächsten Haushaltsverhandlungen Kürzungen befürchten. So oder so gefährdet eine Finanzierungslücke jedoch die oft beschworene Innovationsfähigkeit der Wissenschaft. Im Gegensatz zu anderen Institutionen stehen die Hochschulen ständig unter Druck, dynamisch auf aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zu reagieren. »Wir haben keine Glaskugel«, sagte Wissenschaftssenatorin Czyborra mit Blick auf die weitere Inflationsentwicklung. Sollte es Engpässe geben, werde der Senat aber handeln.

Vor allem eine Aufgabe stellt die Hochschulen vor massive Herausforderungen: Weil viele ältere Lehrkräfte in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen werden, müssten die Unis eigentlich massiv mehr Lehramtsstudierende ausbilden. Aktuell gibt es jährlich weniger als halb so viele Absolventen, wie nötig wären, um ausfallende Kräfte zu kompensieren. Die Zielzahl, wie viele Lehrämtler am Ende die Unis verlassen sollen, ist eine der Hauptstreitfragen bei den Hochschulvertragsverhandlungen.

»Wir müssen Personal anstellen, um Kapazitäten zu schaffen«, skizzierte FU-Präsident Günter M. Ziegler die Herausforderung. Auch an Gebäuden, in denen die angehenden Lehrkräfte unterrichtet werden könnten, mangelt es. »Es ist machbar, aber es wird teuer«, sagte Ziegler. Diese Kosten dürften nicht aus dem Mittelzuwachs, sondern aus zusätzlichen Mitteln finanziert werden.

Gabriel Tiedje von der Landesastenkonferenz zweifelte, ob es genüge, den Unis einfach mehr Geld in die Hand zu drücken. »Eigentlich müssten wir uns fragen, ob wir nicht mehr Detailsteuerung brauchen«, so der Studierendenvertreter. Das Prinzip der Hochschulautonomie, nach der das Land Eingriffe auf ein Minimum reduziert, gilt bei vielen als das Erfolgsrezept der Berliner Hochschulen. An der Lehrkräftebildung könne man aber auch sehen, dass das System Lücken habe, so Tiedje. »Wenn etwas über Jahre schiefläuft, sollte man sich fragen, ob man nicht intervenieren muss«, sagte er mit Blick auf die seit Jahren verfehlten Zielzahlen. In vielen Fällen sei bekannt, dass etwa viele Studierende an bestimmten Prüfungen scheitern – und trotzdem zeigten die Unis wenig Willen, daran etwas zu ändern. Gezieltere Steuerung durch das Land könne hier helfen.

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