Solarenergie-Branche: Nicht alles eitel Sonnenschein

Der Ausbau der Solarenergie findet derzeit vor allem auf den Dächern statt

  • Jörg Staude
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Solarmodule-Hersteller Meyer Burger droht, in den USA statt in Sachsen-Anhalt zu investieren.
Der Solarmodule-Hersteller Meyer Burger droht, in den USA statt in Sachsen-Anhalt zu investieren.

Sie gilt als die derzeit am besten laufende Energiewende-Branche. Dennoch geht auch in der Solarwirtschaft ein wenig die Angst um, dass sich das Szenario von vor gut zehn Jahren wiederholen könnte und die Politik sich mitten in einem Solar-Boom von der Branche abwendet und diese dann wieder in der Versenkung verschwindet. Solche Befürchtungen erhielten neue Nahrung, als jetzt die Firma Meyer Burger, der einzige industrielle Hersteller von Solarmodulen in Europa, in einem Brief an den Bundesfinanzminister drohte, die Projekte für den weiteren Ausbau der Solarfertigung in Deutschland abzubrechen – und stattdessen in den USA zu investieren. Die Module werden in Thalheim in Sachsen-Anhalt mit aktuell 350 Mitarbeitern gefertigt.

Für eine differenzierte Sicht auf solche Vorgänge plädierte am Mittwoch Carsten Körnig, Geschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW Solar). Zwar müsse alles getan werden, um solare Wertschöpfung wieder nach Europa zu holen, zugleich dürfe man aber nicht in einen Protektionismus-Wettbewerb einsteigen, erklärte Körnig anlässlich der Messe Intersolar in München. Zugleich hätten die Pandemie und auch die jüngste Energiekrise gelehrt, dass es gut sei, sich nicht allzu abhängig von anderen Weltregionen zu machen, betonte Körnig, der seinen Blick eher nach Asien richtet. Nachteilig für Deutschland und Europa wirkt sich für ihn vor allem aus, dass zu der Zeit, als die hiesige Branche im Niedergang war, in China automatisierte Fertigungen im Multigigawatt-Maßstab errichtet wurden.

Dadurch seien die Solarmodule aus dem Reich der Mitte so preiswert und Europa müsse diesen Vorteil durch entsprechende Maßnahmen jetzt ausgleichen, so der BSW-Chef. Auch werde Deutschland immer einen wesentlichen Teil der Solartechnik importieren müssen, stellte Körnig fest und wies darauf hin, dass der Markt derzeit so stark wachse, dass praktisch alle Produzenten gebraucht würden – egal, in welcher Weltregion sie produzieren.

Global wurde 2022 der Rekordwert von einem Terawatt installierter Solarstrom-Kapazität erreicht, das ist eine Million Megawatt. Zum Vergleich: Europa verfügt insgesamt über eine Kraftwerksleistung von etwa 1,5 Terawatt. Die Solarhersteller stünden aber nicht nur im harten Wettbewerb mit Asien, sondern auch mit den USA, räumte Körnig ein. Das Stichwort hier: Inflation Reduction Act (IRA). Das Klimagesetz von US-Präsident Joe Biden locke Investoren in die USA. Wolle man da mithalten, müsse es jetzt in Europa eine Art »Doppelwumms« für die grünen Technologien geben, erklärte der BSW-Chef. Europa müsse zeigen, dass die Solarbranche industriepolitisch wertvoll sei.

Unabhängig davon ebben im Inland die Klagen über Lieferengpässe ab. Bei Solarmodulen und den nötigen Unterkonstruktionen sieht es laut einer Branchenerhebung vom Mai wieder gut aus, nur bei Wechselrichtern und Speichern sei die Lage noch etwas angespannt. Was den Photovoltaik-Ausbau in Deutschland selbst betrifft, wird die Hälfte der neu installierten Kapazität derzeit von Hausbesitzern getragen, die sich Anlagen bis zur Fördergrenze von 30 Kilowatt aufs Dach montieren lassen. Seit Jahresanfang fällt für Lieferung, Einfuhr, Kauf und Installation von Solaranlagen bis 30 Kilowatt und dem dazugehörigen Stromspeicher auch keine Umsatzsteuer mehr an.

»Bei den privaten Prosumern geht derzeit die Post ab«, meint Carsten Körnig. Und das wird anhalten. Zwei von drei Hauseignern sind an Solarstrom interessiert, jeder sechste plant, sich in den kommenden zwölf Monaten eine Solaranlage zuzulegen, ergibt eine aktuelle Umfrage des Solarwirtschaftsverbands.
Nimmt man noch die frei finanzierten Dachanlagen jenseits der 30 Kilowatt dazu, finden derzeit auf Deutschlands Dächern fast zwei Drittel des Photovoltaik-Ausbaus statt. Gut ein Drittel machen Freiflächenanlagen aus. Die in der Öffentlichkeit stark präsenten sogenannten Balkonkraftwerke stellen derzeit nur ein Prozent des Solarausbaus.

Es herrsche nicht überall eitel Sonnenschein, relativiert BSW-Chef Körnig die Bilanz. So gibt es erhebliche Rückgänge bei Solaranlagen auf Firmendächern, die zwischen 30 bis 750 Kilowatt Nennleistung haben und sich nicht an Ausschreibungen beteiligen müssen. In diesem Segment halbierte sich der Zubau von 2000 Megawatt im Jahr 2020 auf 1000 Megawatt im letzten Jahr. Gerade mittelständische Unternehmen seien zwar interessiert an Photovoltaik, sähen sich aber mit zu viel Bürokratie konfrontiert, beispielsweise beim Zugang zum Stromnetz, erklärte Körnig den Rückgang.

Auch bei einem Vergleich des aktuellen Solar-Wachstumstempos zum klimapolitisch notwendigen herrscht nicht eitel Sonnenschein. Soll die Solarenergie ihren Beitrag zum 1,5-Grad-Klimaziel leisten, müssten schon in diesem Jahr weltweit nicht 300 000 Megawatt dazukommen, sondern etwa das Anderthalbfache, rechnete die internationale Erneuerbaren-Agentur Irena aus. Bis 2030 müsste sich die globale Solarstrom-Kapazität auf über fünf Millionen Megawatt erhöhen – es muss also noch deutlich besser laufen.

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