E-Bike, der Gold-Drahtesel

E-Räder sind ein Milliardengeschäft, doch was bringen sie für die Verkehrswende?

Verkehrswende: E-Bike, der Gold-Drahtesel

Bei Fortbewegungsmitteln für Förster denkt man gemeinhin an einen zerbeulten Geländewagen mit Allradantrieb. Im Landkreis Dahme-Spreewald südöstlich von Berlin begegnen einem die kommunalen Waldbewirtschafter jetzt auch mal auf zwei Rädern. Brandenburgs Agrarminister Axel Vogel Förster (Grüne) startete dieser Tage ein Pilotprojekt, das herausfinden soll, ob sich E-Räder »auch im Dienst für den Wald bewähren«.

E-Bikes, bei denen per Knopfdruck der Batteriemotor eingeschaltet werden kann, wie auch die dominierenden Pedelecs, bei denen dieser beim Tritt in die Pedale immer unterstützt, sind eben vielfältig einsetzbar: Bei der Fahrt zur Arbeit, bei langen Urlaubstouren insbesondere in hügeliger Gegend, im alltäglichen Dienst etwa bei Postboten und beim Gütertransport bringen sie Erleichterung im Vergleich zum traditionellen Rad. Das gilt gerade für Ältere und weniger Fitte. Am meisten verbreitet sind sie bisher in der Generation 50 plus und besonders 65 plus. Entgegen dem Klischee vom Gefährt gutverdienender Großstädter findet sich die höchste Dichte in den Flächenländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

Kein Wunder also, dass E-Bikes und Pedelecs dem Fahrradmarkt einen wahren Boom bescheren. In Deutschland hat sich der Verkauf in den vergangenen zehn Jahren etwa versechsfacht. 2022 wurden insgesamt 2,2 Millionen Stück abgesetzt, wieder ein Rekord. Laut Statistischem Bundesamt wurden zwei Drittel davon importiert, vor allem aus Bulgarien, Vietnam und den Niederlanden. Von den rund 69 Millionen Fahrrädern in Deutschland hatte zuletzt schon jedes achte einen Elektromotor.

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Da sich mittlerweile die Lieferkettenprobleme bei Fahrrädern deutlich entschärft haben, blickt die Branche, die im vergangenen Jahr europaweit 21 Milliarden Euro umsetzte, sehr optimistisch in die Zukunft – mit dem E-Bike als Gold-Drahtesel. Das zeigt sich auch bei der bis Sonntag laufenden Leitmesse Eurobike in Frankfurt/Main. Mehr als 1900 Aussteller aus 62 Nationen präsentieren hier ihre Produkte. Ihre Zahl wie auch die der Besucher sind deutlich höher als vor einem Jahr. Räder mit E-Motor für den privaten wie den Güterbereich stehen hier im Mittelpunkt.

Der eigentliche Batterieboom im Verkehr findet nicht bei E-Autos statt, von denen im vergangenen Jahr gerade einmal 100 000 rein batteriegetriebene Gefährte neu zugelassen wurden und die nur einen Anteil von zwei Prozent am Pkw-Bestand ausmachen. Dennoch bestimmen sie die verkehrspolitische Debatte – zum Ärger der Radlobby: »Für die Verkehrswende sind E-Bikes wichtiger als E-Autos«, heißt es etwa beim dänischen Kapsel-E-Rad-Hersteller Podbike.

Mit Blick auf die Anforderungen des Klimaschutzes hat der E-Rad-Trend auf den ersten Blick aber negative Folgen. Während herkömmliche Fahrräder rein mit Muskelkraft angetrieben werden, verbrauchen E-Bikes im Betrieb geringe Mengen Strom. Und der kommt beim jetzigen Strommix immer noch zu mehr als der Hälfte aus CO2-intensiven Kraftwerken.

Die Fahrradlobby hält dagegen: Da E-Bike-Fahrer weniger Kalorien als klassische Radler verbrennen, benötigen sie weniger Lebensmittel, die wie beim Fleisch sehr emissionsintensiv produziert werden. Der CO2-Ausstoß sei also nicht unbedingt höher. Belegt ist diese Behauptung indes nicht. Mit Blick auf die Verkehrswende und die Klimaziele ist aber ohnehin etwas anderes entscheidend: Können E-Räder zur Reduzierung des Autoverkehrs führen? Für das Umweltbundesamt (UBA) ist die Antwort klar: »Die Hälfte aller Autofahrten ist kürzer als fünf Kilometer. Hieraus ergibt sich ein enormes Verlagerungspotenzial von Pkw-Fahrten zum Fahrrad.« Der Klimaeffekt wäre laut UBA erheblich, denn der CO2-Ausstoß eines Benzin-Pkws je 100 Kilometer ist etwa 40 Mal so hoch wie der eines Pedelecs; einbezogen sind hier die Emissionen bei Betrieb und Herstellung.

Auch ist die Bereitschaft, von vier auf zwei Räder zu wechseln, in Deutschland durchaus vorhanden: In einer Umfrage des Meinungsforschungsunternehmens Civey für Eon Energie sagten 27,6 Prozent, sie könnten für kurze Strecken bis zehn Kilometer auf ein E-Bike umsteigen. Eine britische Studie ergab zudem: Der Hauptgrund dafür, dass viele Willige doch nicht umsteigen, sind hohe Preise und fehlende Förderung.

Tatsächlich lag der in den vergangenen Jahren stark gestiegene Durchschnittspreis hierzulande zuletzt bei satten 3680 Euro. Hinzu kommt, dass auch die Wartung teurer ist als bei einem Motorlosen und nach einigen Jahren der Akku gewechselt werden muss. Allerdings gibt es auch einzelne Discountangebote für unter 1000 Euro, gute Gebrauchte mit Garantie ebenfalls, und im Vergleich zu einem Pkw sind die Kosten sehr gering. Gleichwohl ist der Preis für viele schlicht zu hoch. Zum Ärger der Umweltverbände und auch der Grünen gibt es anders als bei E-Autos keine üppige staatliche Kaufprämie. Lediglich in einigen Gegenden werden Lastenräder bezuschusst, und manche Stromanbieter unterstützen den Kauf, allerdings muss man dann bei ihnen einen Vertrag abschließen. Eine Förderung und ordnungspolitische Maßnahmen, die den innerstädtischen Autoverkehr unbequemer machen, verteuern oder gar verbieten, würden den E-Rad-Boom verbreitern.

Das Klimaschutz-Potenzial ist also noch lange nicht ausgeschöpft. Das gilt auch für das wirtschaftliche. Die Zahl der direkten und indirekten Arbeitsplätze in der Fahrradbranche hat europaweit das Rekordniveau von 190 000 erreicht, Tendenz weiter steigend. Das gilt auch für Lehrstellen, deren Zahl in Deutschland ebenfalls auf Höchststand ist. Die technische Entwicklung macht sich auch hier bemerkbar: Man wird nämlich nicht mehr zum Zweiradmechaniker ausgebildet, sondern zum Zweiradmechatroniker.

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