Peter Brötzmann: Alles, was man braucht

Er hat alles überblasen: Am Donnerstag starb der Free-Jazz-Musiker Peter Brötzmann mit 82 Jahren

»Free Jazz kann man nur verstehen als Möglichkeit, alle Materialien zu verwenden, die man braucht«, Peter Brötzmann
»Free Jazz kann man nur verstehen als Möglichkeit, alle Materialien zu verwenden, die man braucht«, Peter Brötzmann
nd.Kompakt – unser täglicher Newsletter

Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.

Im sagenumwobenen Jahr 1968 nahm der Saxofonist Peter Brötzmann mit seiner Band in Bremen die Platte »Machine Gun« auf, ein »in einem guten Sinne anstrengendes Album«, wie Benjamin Moldenhauer im »nd« schrieb. Es ging schwer ab und nach vorn. Free Jazz aus der BRD, das hatte es vorher so noch nicht gegeben: »Ich kann mir das nicht anhören. Ich will alles anzünden und kurz und klein hauen, wenn ich Brötzmann eine Weile zugehört habe. Das ist Musik, die dich buchstäblich auflädt mit Hass«, meinte der Jazz-Gitarrist Attila Zoller. Und der damalige Kritiker-Jazz-Papst Joachim-Ernst Berendt schrieb, Brötzmann würde alles »kaputtspielen«. Für Brötzmann war das völliger Unsinn: »Sowohl Amerikaner wie Europäer waren immer schon konstruktive Musiker, die etwas entstehen lassen und es nicht zerstören wollten. Es ging lediglich darum, Ballast abzuwerfen. Und damit schafft man Platz für Neues. Wir sahen unsere Aufgabe darin, ein anderes Fundament für die Musik zu errichten«, erzählte er dieses Jahr der »Zeit«.

Hierfür spielte Brötzmann ein Stakkato-Saxofon, man nannte ihn selbst tatsächlich auch »Machine Gun« und seine Technik »brötzen«. Denn »Brötzmann hat Jazz immer auch so gespielt, als wäre es Rockmusik – nur eben kein Jazzrock« (Moldenhauer). Jazzrock geht nach innen und liebt sich dafür; Brötzmann hat lieber nach außen alles überblasen. Es ging ihm um Revolte und Menschenrechte. Der Free Jazz entstand Anfang der 60er Jahre in den USA, inspiriert von der Schwarzen Bürgerrechtsbewegung. Brötzmann kam von der Malerei, die er mit 17 in Wuppertal studiert hatte. 1972 sagte er: »Free Jazz kann man nur verstehen als Möglichkeit, alle Materialien zu verwenden, die man braucht.« Dafür braucht und will man Freiheit. Im emphatischen Sinn, wie zum Beispiel auch Ernst Busch im Spanischen Bürgerkrieg davon gesungen hat.

Am Donnerstag starb Peter Brötzmann im Alter von 82 Jahren.

- Anzeige -

Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Dank der Unterstützung unserer Community können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen

Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.