Krankenhausreform in NRW: Ungeliebtes Vorbild

Nordrhein-Westfalen geht mit einer eigenen Krankenhausreform voran

Deutlich zufriedener trat Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) in letzter Zeit auf, wenn es um die bundesweite Krankenhausreform ging. Laumann kann immerhin darauf verweisen, dass in seinem Bundesland schon 2019 die Weichen für eine eigene Reform gestellt wurden. Zudem wird immer deutlicher, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sich auf die Vorbildfunktion des NRW-Projektes einlässt. Das war nicht immer so.

Im bevölkerungsreichsten Bundesland gibt es 348 Krankenhäuser. Insbesondere in den Ballungszentren sehen gesetzliche Krankenkassen eine Überversorgung. Viele Kliniken bieten hoch spezialisierte Leistungen an, versorgen damit aber nur wenige Patienten. Ein Beispiel aus der Endoprothetik, zum Hüftersatz: In NRW wird der Einriff an 289 Krankenhausstandorten angeboten, 64 Prozent von ihnen erbringen 89 Prozent der Leistungen. Würden nur diese 184 Kliniken die Leistung weiter anbieten, stiege die mittlere Fahrtzeit von 9 auf 11 Minuten. Auch an solchen Berechnungen orientiert sich die aktuelle NRW-Reform. Die bisherige Krankenhausplanung sei nicht auf den tatsächlichen Bedarf ausgerichtet, so etwa der Verband der Ersatzkassen zur Situation.

Angestoßen wurde die Reform in Düsseldorf schon, als Minister Laumann noch dem Kabinett Laschet angehörte, in dem CDU und FDP zusammen regierten. Der nordrhein-westfälische Landtag billigte Anfang März 2021 die Änderung des Krankenhausgestaltungsgesetzes unverändert. Unter Ministerpräsident Hendrik Wüst blieb Laumann im Amt, auch nach den Wahlen im Mai 2022, in deren Ergebnis die CDU nun mit den Grünen koaliert. Auch unter Schwarz-Grün ist die Reform im Koalitionsvertrag enthalten.

Im August 2022 hatte Laumann mit Vertretern der gesetzlichen Kassen den weiteren Reform-Fahrplan vorgestellt. Im Herbst 2022 begannen Verhandlungen auf regionaler Ebene. Im Mai startete die Prüfung der regionalen Planungskonzepte.

Die NRW-Reform setzt direkt bei der Krankenhausplanung an. Hier soll nicht mehr nach Betten, sondern nach medizinischen Leistungsgruppen vorgegangen werden. An diese 60 Gruppen sind Mindeststrukturvorgaben gekoppelt. Die Leistungsgruppen würden »zu einer Konzentration der Versorgung im Bereich der High-End-Medizin« führen, so Ingo Morell, Präsident der Krankenhausgesellschaft des Bundeslandes, im Februar.

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Die Krankenhäuser hatten Unterlagen dazu eingereicht, welche Leistungen sie künftig erbringen wollen, die Krankenkassen nehmen dazu Stellung. Dann folgt die Diskussion in den 16 Versorgungsregionen. Erste Entscheidungen über Umstrukturierungen, auch mögliche Schließungen soll es noch in diesem Jahr geben. Seitens der Krankenhäuser wird das Vorgehen gelobt, weil statt eines Algorithmus in einem Diskussionsprozess über die künftigen Leistungen der Krankenhäuser entschieden werde.

Mit der Reform sind in NRW Vorgaben für die Erreichbarkeit bestimmter Leistungen verbunden. So sollen Häuser mit den Leistungsgruppen für Innere Medizin oder Chirurgie von 90 Prozent der Bevölkerung in 20 Minuten erreichbar sein. Der Bedarf insgesamt wird auf Basis von Fallzahlen von 2019 errechnet, Bevölkerungsentwicklung und Alterung werden einbezogen. In den Versorgungsgebieten werden regionale Planungskonzepte entwickelt, auf die sich Kassen und Krankenhausträger einigen. Gelingt ihnen das nicht, weist das Land Fallzahlen zu.

»Wir werden auch in NRW Verlagerungen der Versorgung und Standortschließungen erleben«, betonte Diplom-Kaufmann Morell noch im Februar. »Davor drücken wir uns auch nicht. Wir benötigen aber eine Flexibilität in der Krankenhausplanung, um auf die Bedürfnisse in den Regionen eingehen zu können.« Das wäre bei einer Umsetzung der Vorschläge der Regierungskommission des Bundes nicht gegeben. Der hier anklingende Dissens begleitet die Diskussionen zu den Reformen in Bund und Ländern schon länger.

Im Dezember 2022 wollte Minister Lauterbach die Reform ohne die Länder, also ohne den Bundesrat, durchziehen. Im März warnte er den NRW-Kollegen noch, die Reform im Land weiterzuverfolgen, und betonte, dass das Vorhaben »keine Geldflüsse zur Folge« haben würde. Nicht nur Nordrhein-Westfalen beharrt auf der Gesetzeslage und der Planungshoheit der Länder. Drei unionsgeführte Landesgesundheitsministerien wiesen per Rechtsgutachten die Verfassungswidrigkeit eines solchen Vorgehens nach. Im Zuge der Bund-Länder-Runden zur Reform war Lauterbach Schritt für Schritt zurückgewichen.

Vor allem Minister Laumann konnte sich zuletzt glücklich schätzen. Denn die 60 Leistungsgruppen aus NRW sollen weitgehend für den Bund übernommen werden. Nach Veröffentlichung der Reform-Eckpunkte durch Lauterbach Anfang Juli sollen die Länder sogar in die Erarbeitung des Referentenentwurfs einbezogen werden. Dann könnte das Gesetz zum Jahresende kommen.

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