Wohnkosten: Die soziale Schere im Wohnhaus

Ein Drittel aller Mieterhaushalte ist mit den Wohnkosten überfordert

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 4 Min.
Manch ein Haushalt hat aus Angst vor zu hohen Stromkosten im Winter an der Beleuchtung gespart.
Manch ein Haushalt hat aus Angst vor zu hohen Stromkosten im Winter an der Beleuchtung gespart.

Der Deutsche Mieterbund (DMB) fordert von der Bundesregierung umfassende Maßnahmenpakete, um den rasanten Anstieg der Wohnkosten einzudämmen und vor allem einkommensschwächere Mieterhaushalte vor nicht mehr tragbaren Belastungen bis hin zum Verlust der Wohnung zu schützen. Denn schon jetzt muss ein Drittel aller Mieter mehr als 30 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens für die Wohnkosten aufbringen, wie aus einer vom Freiburger Ökoinstitut im Auftrag des DMB erstellten Studie hervorgeht, die am Donnerstag veröffentlicht wurde.

»Bereits jetzt sind über sieben Millionen Haushalte mit ihren Wohnkosten überlastet, das ist jeder dritte Mieterhaushalt«, kommentierte DMB-Präsident Lukas Siebenkotten die Ergebnisse der Studie. Demnach müssen 3,1 Millionen mietende Haushalte für ihre Kaltmiete inklusive Heizkosten mehr als 40 Prozent ihres Einkommens ausgeben und gelten damit als besonders belastet. Weitere 4,3 Millionen Mieterhaushalte zahlen zwischen 30 und 40 Prozent ihres Einkommens für ihre Warmmiete.

Dabei ist Deutschland im europäischen Vergleich immer noch ein »Mieterland«. 53 Prozent aller Haushalte, insgesamt rund 21,6 Millionen, leben in Mietwohnungen. Bei der im Auftrag des Mieterbunds durchgeführten Studie wird auch deutlich, dass der Mieteranteil bei einkommensschwachen Haushalten besonders hoch ist, denn diese hatten und haben oftmals schlicht keine Möglichkeit, Wohneigentum zu erwerben. So machen die 30 Prozent einkommensschwächsten Haushalte insgesamt 54 Prozent aller Mieterhaushalte aus.

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Diese soziale Schere zeigt sich auch bei der Energiekostenbelastung. Denn grob gerastert lässt sich feststellen: Je geringer das Einkommen, desto schlechter der energetische Standard der genutzten Wohnungen. Desto höher ist auch das Risiko, durch umfassende energetische Sanierungen bis hin zum kompletten Heizungsaustausch finanziell überfordert zu werden. Derzeit wird in fast 90 Prozent aller Mieterhaushalte noch ganz oder überwiegend mit fossilen Energiequellen geheizt, zu denen auch die meisten Fernwärmenetze gehören, da deren Umrüstung auf regenerative Energieträger erst im Anfangsstadium steht.

Der DMB stellt die Notwendigkeit umfassender energetischer Sanierungen im Gebäudebestand nicht infrage, fordert aber bei der Verteilung der Kosten eine Orientierung an dem Prinzip der Warmmietenneutralität. Das bedeutet, dass die von den Mietern zu tragenden Kosten nicht höher sein dürften als die durch bessere Energieeffizienz realisierbaren Einsparungen. Dafür fordert DMB-Präsident Lukas Siebenkotten unter anderem ein Sondervermögen in Höhe von 50 Milliarden Euro, das sowohl für den Bau von Sozialwohnungen als auch für die Sanierung eingesetzt werden soll. Doch außer dieser auf zehn Jahre angelegten Anschubfinanzierung geht es dem DMB auch um strukturelle Änderungen.

Unabdingbar ist für Siebenkotten die möglichst schnelle Wiedereinführung der 1989 abgeschafften Wohnungsgemeinnützigkeit, mit der dauerhaft bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden könnte. Derzeit kann das jährliche Neubauvolumen im sozialen Wohnungsbau nicht mal den Verlust von Sozialwohnungen kompensieren, die nach dem Auslaufen der in der Regel auf 30 Jahre befristeten Belegungs- und Miethöhebindungen wieder dem »freien Markt« überlassen werden. Der Neubaubedarf an preisgebundenen Wohnungen liegt laut DMB bei mindestens 100 000 Wohneinheiten pro Jahr.

Doch gerade bei der Wohnungsgemeinnützigkeit, die sogar im Koalitionsvertrag der Bundesregierung verankert ist, hakt es gewaltig. Bislang gibt es weder einen Zeitplan noch eine Finanzplanung. Und so hegt Siebenkotten den Verdacht, dass man dieses Thema wohl bis zum Ende der Legislaturperiode »aussitzen« wolle.

Als weitere Maßnahmen fordert der DMB unter anderem eine Absenkung der Umlage für energetische Modernisierungen auf vier Prozent der tatsächlich dafür entstandenen Kosten, verbunden mit einer Kappungsgrenze der entsprechenden Mieterhöhungen pro Quadratmeter. Geprüft werden müsse auch ein befristeter bundesweiter Mietenstopp in Gebieten mit besonders angespannter Wohnraumlage sowie die unbefristete Verlängerung des »Mietendeckels« bei Neuvermietungen von Bestandswohnungen nebst Abschaffung aller im bisherigen Gesetz vorgesehenen Ausnahmen für seine Anwendung, so Siebenkotten.

Der DMB-Präsident äußerte sich auch zu dem am Mittwoch veröffentlichten Abschlussbericht der vom alten Berliner Senat berufenen Expertenkommission zur verfassungsmäßigen Zulässigkeit der Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen. Die Kommission war eingerichtet worden, nachdem fast 60 Prozent der Wähler im September 2021 einem entsprechenden Volksbegehren der Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen in einem Volksentscheid zugestimmt hatten: Vergesellschaftungen seien sicherlich kein Allheilmittel, könnten aber durchaus ein stabilisierendes Instrument für die soziale Wohnraumversorgung in extrem angespannten Märkten wie Berlin sein, so Siebenkotten.

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