Mehr Stadtnatur gegen die Dürre

Wenn wir unsere Gesundheit und die Umwelt schützen wollen, müssen die Städte grüner werden

  • Olaf Bandt
  • Lesedauer: 4 Min.

Einen traurigen Anblick bot dieser Tage der Landwehrkanal in Berlin: Hunderte tote Fische trieben an der Wasseroberfläche. Nur die Reiher freuten sich über das Festessen. Was sagen uns die toten Fische über unseren Umgang mit Trockenheit in der Stadt? Wochenlang hatte es kaum geregnet. Die Stadt war ausgedörrt. Als endlich ein starker Regen fiel, konnten der trockene Boden und die versiegelten Flächen das Wasser nicht aufnehmen. Die veraltete Kanalisation lief über. Der Landwehrkanal wurde mit ungeklärtem Abwasser sowie Blüten und Blättern geflutet. Deren Abbau durch Mikroorganismen führt zu Sauerstoffarmut im Gewässer – laut dem Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt die Ursache für das plötzliche Fischsterben.

Wieder steht ein Trockensommer bevor. Viele Grünflächen sind dem nicht gewachsen. Zuletzt sahen sie oft gelb aus. Wenn wir auch in Zukunft Natur in der Stadt nutzen und genießen wollen, muss die biologische Vielfalt steigen. Kurz geschnittene Rasenflächen sind vielerorts der Normalfall. Sie sind dem Klima nur schlecht angepasst und bieten wenig Lebensraum für Bestäuber wie Wildbienen und Schmetterlinge. Regional angepasste Wildpflanzen und Sträucher sind dem Rasen weit überlegen.

Hinzukommen die Starkregen, die U-Bahnhöfe und Keller fluten und die Feuerwehr in den Ausnahmezustand versetzen. Was können wir tun? Statt weiter Flächen zu versiegeln, müssen wir dafür sorgen, dass Regenwasser von der Stadt aufgenommen wird. Würde das Regenwasser dort bleiben, wo es fällt, dann würden bei Starkregen die Kanalisation entlastet und die Gewässer geschützt werden. Dieses Konzept wird als Schwammstadt bezeichnet. Das kann man sich so vorstellen: Ein Schwamm nimmt Wasser auf, speichert es und gibt es wieder ab. Am besten passiert die Abgabe über Pflanzen, die das Wasser verdunsten und dabei die Umgebungsluft abkühlen. Das macht den Sommer in der Stadt erträglicher. Da fallen einem da die Stadtbäume und Parks ein. Aber es gibt noch viel mehr Potenzial: grüne Dächer, grüne Fassaden, grüne Gleise. Fast überall bringen Pflanzen Vorteile.

Wer weiß, dass selbst »Unkraut« in Pflasterfugen die Umgebungsluft deutlich abkühlen kann? Wissenschaftler im spanischen Santiago de Compostella stellten fest, dass sich Bodenplatten bei einer Tagestemperatur von 30 Grad auf bis zu 55 Grad aufheizten. Bei Bodenplatten mit verunkrauteten Fugen, waren es bis zu 28 Grad weniger. Und selbst auf Kopfhöhe betrug der Temperaturunterschied noch zwei bis drei Grad. Nun wird erforscht, wie sich der Effekt gezielt nutzen lässt.

Auch städtische Kleingewässer sind – wie Grünflächen, Hecken und Kleingärten – wichtig für Biodiversität und Klimaanpassung. Weiher, Teiche und Tümpel brauchen dringend bessere Pflege und Schutz. Der BUND Berlin hat bei der Hälfte der Kleingewässer in der Hauptstadt gravierende Defizite festgestellt. Die blauen Oasen schaffen Lebensräume für Amphibien und Libellen und sind wichtig, um zu kühlen und Wasser zu speichern.

Wir müssen die Städte aktiv verändern. Weitere Versiegelung sollte gestoppt, bestehender Grünzüge sollten rechtlich geschützt und Beton- und Steinwüsten umgestaltet werden. Stattdessen müssen lebendige Schwammstädte Normalität werden. Die EU-Biodiversitätsstrategie 2030 fordert bereits alle europäischen Städte ab 20 000 Einwohner auf, ambitionierte Pläne für grüne Städte zu entwickeln. Bisher sind nur wenige Kommunen dem Aufruf gefolgt. Dabei sind sie mit dieser Aufgabe nicht allein: Das Bundesprogramm Biologische Vielfalt hat 2019 den Förderschwerpunkt Stadtnatur aufgelegt. Und mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz stehen bald weitere Gelder für Grünflächen und Stadtbäume zur Verfügung. Wenn wir uns und unsere Stadtnatur vor Dürre und Hitze schützen wollen, müssen wir jetzt anfangen, die Städte grüner zu entwickeln.

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