Verteidigungshaushalt: Bombige Ausgaben

Die Bundesregierung gibt für Militär und Rüstung Geld aus, das sie nicht hat

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung
Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung

Beim Thema Finanzen hört bekanntlich die Freundschaft auf. Angesichts des zum Teil tatsächlich ausgezehrten Zustandes der Bundeswehr und weil die Zeiten nach Russlands Überfall auf die Ukraine weniger friedlich sind als zuvor, erhoffte sich Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) eine üppige Aufstockung des Verteidigungsetats. 2023 sind dafür 50,1 Milliarden Euro eingeplant. Mitte Februar bereits rechneten Haushälter seines Ministeriums vor, dass der sogenannte Einzelplan 14, in dem die wesentlichen Verteidigungsausgaben gebündelt sind, daher um mindestens zehn Milliarden Euro steigen müsse. Zwei Monate danach, als die Etatverhandlungen mit dem von Christian Lindner (FDP) geleiteten Finanzministerium schon liefen, sprach Pistorius selbst von einem Mehrbedarf, der bei 9,1 Milliarden Euro liege.

Alle Ressorts müssen bei den Haushaltszuwendungen für 2024 Federn lassen, hört man aus dem Verteidigungsministerium. Und das Eingeständnis: Uns hat es weniger als andere betroffen. Man müsse leben mit dem angebotenen Plus von 1,7 Milliarden Euro. Damit lassen sich die für den öffentlichen Dienst verabredeten Lohnsteigerungen ausgleichen. Es bleibt genug, um die Streitkräfte »in Betrieb zu halten«. Auch notwendige Investitionen und alle notwendigen Übungen seien abgesichert.

Aber wie ist das mit dem Zwei-Prozent-Ziel der Nato? Die Allianz hatte 2014 beim Gipfel in Wales beschlossen, dass jedes Mitgliedsland für den Verteidigungsbereich mindestens zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung (BIP) aufbietet. Das galt zunächst für zehn Jahre. Sicher ist, dass der Nato-Gipfel, der nächste Woche in Vilnius tagen wird, diese Aufgabe fortschreibt. Denn: »Sicherheit ist nicht zum Nulltarif zu haben«, heißt es in der gerade verabschiedeten Nationalen Sicherheitsstrategie. Mit der verpflichtet sich Deutschland erstmals auch rechtlich zu dem Finanzierungsmodell. Bis auf Widerruf ist jede deutsche Regierung angehalten, »langfristig im mehrjährigen Durchschnitt zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes für Verteidigungszwecke auszugeben«. Weiter liest man: »Strukturelle Defizite, die diesem Ziel entgegenstehen, werden wir beseitigen.«

Geht man von diesem Zwei-Prozent-Gebot aus, kommt es in Deutschland rechnerisch zu einem gewaltigen Fehlbetrag, denn: Laut Bundesfinanzministerium liegt das vorausgesagte deutsche BIP für das Jahr 2024 bei einem nominalen Wert von zirka 4,2 Billionen Euro. Nimmt man davon zwei Prozent, so müssten die deutschen Verteidigungsausgaben einen Umfang von 84 Milliarden Euro haben. Bei einem aktuellen Ansatz von rund 52 Milliarden Euro für den Einzelplan 14 fehlen demnach 32 Milliarden Euro. Die in anderen Einzelplänen versteckten Ausgaben für Verteidigung machen maximal vier Milliarden Euro aus und den Kohl nicht fett.

Brächte man die laut Nato-Beschluss notwendigen Ausgaben in Anschlag, würde der gesamte Bundeshaushalt kollabieren. Doch es gibt ja noch das für die Bundeswehr vereinbarte Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro. Bis Ende Mai hatte man erst rund 1,09 Milliarden Euro davon abgerufen und nur ein Drittel der Mittel vertraglich gebunden. Mit Hilfe dieses – selbstverständlich verzinslichen und rückzahlbaren – Kredites ist es möglich, das Nato-Ziel zu erreichen. Experten bestätigen, dass man 2024 mehr Mittel als ursprünglich geplant aus dem Sonderschuldentopf entnehmen muss. Dabei ist schon jetzt klar, dass dessen tatsächliche Kaufkraft immer weiter schwindet.

In den letzten Tagen wurde der Haushaltsausschuss des Bundestages mit dutzenden sogenannten 25-Millionen-Vorlagen »bombardiert«. Ab dieser Summe müssen die parlamentarischen Kassenwarte Ausgaben zustimmen. Für das kommende Jahr werden noch wesentlich mehr solcher Anträge erwartet. So will man die Bundeswehr kampfbereiter und bündnisfähiger machen. Das ist ein gutes Geschäft vor allem für US-Konzerne.

Ganz oben auf der Liste steht die Beschaffung der F-35-Kampfjets von Lockheed Martin – samt Bewaffnung und Ersatzteilen. Die 35 Jets sollen jene »Tornados« ersetzen, die bisher im Nato-Rahmen der nuklearen Teilhabe als US-Atombomben-Träger bereitstehen. Auch die umfangreichen Umbauten am Stationierungsort Büchel (Eifel) werden mit Hilfe des Sonderkredits bezahlt. Ein großer Brocken ist die Beschaffung von schweren Transporthubschraubern. Deren US-Hersteller Boeing fordert nun rund acht statt bisher gut sechs Milliarden Euro. Mit rund 20 Milliarden Euro schlägt der Munitionsbedarf für die Bundeswehr in den kommenden Jahren zu buche. Man braucht zudem neue »Eurofighter« für den elektronischen Kampf, dazu Flottendienstboote, Seeaufklärer, Panzer und Artillerie. Nicht zu vergessen ist der beschlossene Aufbau eines gigantischen Raketenabwehrsystems. Die Mehrausgaben für die zugesagte ständige Stationierung einer 4000 Soldatinnen und Soldaten umfassenden deutschen Kampfbrigade in Litauen lassen sich noch nicht beziffern. Es besteht vermutlich die Hoffnung, dass sie sich durch wegfallende Aufwendungen für den Mali-Einsatz der Bundeswehr kompensieren lassen.

Das Sondervermögen kaschiert derzeit noch die gewaltigen Löcher im geplanten Bundeshaushalt. Die werden nicht zuletzt durch Hochrüstung aufgerissen. Ändert sich daran nichts, ist eines gewiss: Spätesten 2028 geht der Einzelplan 14 durch die Decke und verlangt den Steuerbürgern auf Dauer weit mehr ab, als aktuell vorstellbar ist.

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