Yellen sucht Gemeinsamkeiten mit Peking

US-Finanzministerin besucht China und will wirtschaftliche Beziehungen verbessern

  • Julian Hitschler
  • Lesedauer: 3 Min.
Will in Peking die Wogen glätten: US-Finanzministerin Yellen
Will in Peking die Wogen glätten: US-Finanzministerin Yellen

Der Besuch war länger angekündigt: US-Finanzministerin Janet Yellen hatte schon seit einiger Zeit eine China-Reise in Aussicht gestellt. Drei Wochen nach dem Treffen von Außenminister Antony Blinken mit Staatschef Xi Jinping löst sie dieses Versprechen nun ein, denn die Lage ist ernst: Auch in der Wirtschaftspolitik sind die Beziehungen zwischen der Volksrepublik und den USA mehr als angespannt. Yellen will sich in Peking von Donnerstag bis Sonntag sowohl mit hochrangigen chinesischen Regierungsvertretern als auch mit Managern von US-Unternehmen, die in China investiert haben, beraten, wie der Fernsehsender »CBS News« berichtet. Bereits am Montag führte sie mit dem chinesischen Botschafter in Washington, Xie Feng, ein »offenes und produktives« Gespräch.

In Peking ist man über die jüngsten Versuche der US-Regierung, die wirtschaftliche Abhängigkeit von China zu verringern, wenig begeistert. Darunter fallen die üppigen Subventionen für neue Produktionsanlagen für Dekarbonisierungstechnologien wie Solaranlagen und Elektroautos als Teil des im vergangenen Jahr beschlossenen »Inflation Reduction Act«, aber auch die Förderung der Halbleiterproduktion durch den »Chips Act«. Besonders erbost ist man allerdings über die Exportbeschränkungen für Elektroniktechnologie, die angeblich der nationalen Sicherheit der USA dienen, doch wohl auch Chinas wirtschaftliche Entwicklung bremsen sollen. So erwirkten die USA etwa von der niederländischen Regierung, dass der Hersteller ASML seine Lithografiemaschinen, die zur Chipherstellung benötigt werden, vorerst nicht mehr nach China liefern darf.

Die Volksrepublik hat ihrerseits mit Exportbeschränkungen auf Gallium und Germanium reagiert, wichtige Materialien für die Herstellung von Elektronikprodukten, Glasfaserkabeln und Elektroautos. Dies sei aber »erst der Anfang«, so der ehemalige Vizehandelsminister Wei Jianguo gegenüber der Tageszeitung »China Daily«. Der Handelsstreit mit Washington um die Vorreiterrolle bei den Schlüsseltechnologien der nächsten Jahrzehnte droht zu eskalieren.

Yellens Besuch darf deshalb als Versuch gewertet werden, die Wogen zu glätten. Washington ist wegen der rapiden Verschlechterung der Beziehungen sichtlich besorgt. Man wolle zuvorderst seine »nationalen Sicherheitsinteressen und die unserer Verbündeter sowie die Menschenrechte durch gezieltes Handeln« schützen, so eine Stellungnahme des US-Finanzministeriums. Zugleich betont man dort, man strebe »gesunde Wirtschaftsbeziehungen mit China« an. Ziel sei »Wachstum und Innovation zum gegenseitigen Vorteil«. Auch bei »drängenden globalen Herausforderungen« wie Klimawandel und Überschuldung wolle man zusammenarbeiten.

Diese wohlwollenden Worte ändern nichts an der Tatsache, dass es in Washington an Phantasie fehlt, eine neue konstruktive Strategie im Umgang mit China zu entwerfen. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass die Volksrepublik häufig als überparteiliches Feindbild herhalten muss, mit dem von Aufrüstung bis zur Industrie- und Bildungspolitik alle möglichen Unterfangen begründet werden. Projekte wie der neue Tarnkappenbomber B-21 richten sich militärstrategisch klar gegen China, Generäle spekulieren in der Öffentlichkeit über Krieg. Zur Frage, wie neue, ausgeglichenere Handelsbeziehungen zwischen den Großmächten aussehen könnten, fehlt es an Konzepten.

Eine Regionalisierung von Lieferketten mag unter ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten sinnvoll sein. Doch auch an offenen geostrategischen Provokationen mangelt es auf beiden Seiten nicht. Zugleich weiß man in Washington, dass China nicht einfach verschwinden, sondern auch ohne enge Verzahnung mit dem Westen sehr wahrscheinlich zur führenden Wirtschaftsmacht der Welt aufsteigen wird. Expert*innen wie Priyanka Kishore vom Thinktank IMA Asia erwarten deshalb nur eine langsame Entspannung der Beziehungen. Das Vorgehen beider Seiten lege dies nahe, so Kishore gegenüber der BBC.

In der US-Chinapolitik gilt seit vielen Jahren die Doktrin der »strategischen Ambiguität«: Vor allem in der Taiwan-Frage wollen die USA Peking über ihre tatsächlichen Intentionen im Unklaren lassen. Doch die Trennlinie zwischen Ambiguität und gefährlicher Inkohärenz ist rasch überschritten.

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