Kerry in Peking: Treffen der Großverschmutzer

Bidens Klimabeauftragter John Kerry sucht in China nach Lösungen für den Klimaschutz

  • Fabian Kretschmer, Peking
  • Lesedauer: 3 Min.
Klimasonderbeauftragter John Kerry am 13. Juli vor dem Außenausschuss des US-Repräsentantenhauses
Klimasonderbeauftragter John Kerry am 13. Juli vor dem Außenausschuss des US-Repräsentantenhauses

John Kerry, Sonderbeauftragter von US-Präsident Joe Biden für das Klima, hätte kaum einen passenderen Tag wählen können, um seine Gespräche mit hochrangigen chinesischen Regierungsvertretern in Peking zu beginnen: Wie die Staatsmedien am Montag berichteten, wurde im äußersten Nordwesten des Landes der bisherige Hitzerekord um nahezu zwei Grad Celsius gebrochen. Im Landkreis Sanbao in der Region Xinjiang stiegen die Temperaturen auf 52,2 Grad.

Bei immerhin 37 Grad in Peking traf John Kerry in den Morgenstunden auf seinen Amtskollegen Xie Zhenhua, um in den – gut klimatisierten – Räumen des »Beijing«-Hotels über Maßnahmen gegen die menschengemachte Klimakrise zu debattieren.

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Die ersten Signale stimmen durchaus positiv: Die Gespräche dauerten nicht nur stolze vier Stunden an, sondern wurden auch von wohlwollender Rhetorik begleitet. »China und die USA haben ähnliche Vorstellungen und eine ähnliche Vergangenheit beim Umgang mit dem Klimawandel«, sagte etwa Xie gegenüber der Presse. Und vom US-Klimabeauftragten Kerry hieß es, dass man »zwingend echte Fortschritte« machen müsse.

Dabei ist es überhaupt schon ein Erfolg, dass die zwei weltweit größten CO2-Verschmutzer wieder miteinander reden. Erst im letzten Jahr hat Peking nämlich die Klimagespräche auf Eis gelegt, nachdem Nancy Pelosi die Insel Taiwan besucht hatte. Die Maßnahme stellte auch eine einschüchternde Warnung dar: Peking schreckt nicht davor zurück, Umweltfragen als Druckmittel zu verwenden, um politische Forderungen durchzusetzen.

Diesmal jedoch ist es durchaus denkbar, dass die beiden zerstrittenen Regierungen mehr als rhetorisch heiße Luft produzieren. Denn die derzeit schwerwiegendste Hitzewelle seit mehreren Jahrzehnten hat China erneut vor Augen geführt, wie sehr die Folgen der Erderwärmung die Entwicklung des Landes bedrohen: Die Energiesicherheit leidet unter den alarmierenden Temperaturen, die Ernteerträge werden durch Dürren und Fluten vernichtet.

Dennoch halten sich die chinesischen Staatsmedien in ihrer Berichterstattung merklich zurück, die Probleme allzu prominent mit den Folgen des Klimawandels in Verbindung zu bringen. Und wenn doch, dann stellen die Parteizeitungen stets klar, dass die chinesische Regierung federführend beim Kampf gegen die globale Erderwärmung wirkt.

Stolz wird etwa darüber berichtet, dass China mehr erneuerbare Energien installiert als der Rest der Welt zusammen. Dass man aber auch weiter Kohlekraftwerke baut und für über ein Drittel der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist, wird ganz bewusst unter den Teppich gekehrt.

Dahinter steht auch eine tiefe Paranoia der Zentralregierung gegenüber der Zivilgesellschaft. Umweltaktivismus außerhalb der Ägide der kommunistischen Partei wird nicht im Ansatz geduldet, eine Fridays-for-Future-Bewegung wäre in China geradezu undenkbar. Die Bevölkerung soll bloß nicht auf die Idee kommen, umweltpolitische Forderungen an ihre Führung zu stellen.

Gleichzeitig steht die Regierung jedoch auch wirtschaftlich massiv unter Druck. Wie die am Montag veröffentlichten Zahlen des Pekinger Statistikamtes belegen, ist die ökonomische Erholung nach der »Null Covid«-Öffnung im letzten Dezember vollends verflogen: Vom ersten auf das zweite Jahresquartal ist das Bruttoinlandsprodukt nur um 0,8 Prozent gewachsen – und damit weniger als erwartet. Sämtliche Frühindikatoren deuten zudem kaum auf Besserung hin, im Gegenteil. Es ist sogar fraglich, ob Peking sein selbst erklärtes Ziel von 5 Prozent Wachstum überhaupt erreichen kann.

All dies macht es den Parteikadern nicht unbedingt leichter, kostspielige Reformen umzusetzen, um die energie- und rohstoffintensive Wirtschaft nachhaltiger zu gestalten. Stattdessen könnte Peking erneut auf sein bewährtes Rezept zurückgreifen – und großspurige Infrastrukturprojekte aufsetzen, die auf Kosten der CO2-Bilanz schnelles Wachstum generieren.

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