Fabian Wolff und das verschobene Kräfteverhältnis

Über (falsche) Identität im deutschen Diskurs

  • Larissa Kunert
  • Lesedauer: 2 Min.
Wer sich im deutschen Diskurs über Israel äußert, dem kann eine jüdische Identität mehr Gewicht verleihen. (Abgebildet: der Strand von Tel Aviv)
Wer sich im deutschen Diskurs über Israel äußert, dem kann eine jüdische Identität mehr Gewicht verleihen. (Abgebildet: der Strand von Tel Aviv)

Vielleicht ein mutiger Schritt: Fabian Wolff, jahrelang als junger deutsch-jüdischer Intellektueller in zahlreichen Medien präsent, outet sich in einem »Zeit Online«-Essay als ganz gewöhnlicher Goj. Er habe selbst lange an sein eigenes Jüdischsein geglaubt, sei dann aber bei Recherchen zu seiner Familienbiografie auf die Wahrheit gestoßen. Wohlgemerkt waren diese Recherchen, wie sich den Zeilen ebenfalls entnehmen lässt, erst durch Druck aus der jüdischen Community ausgelöst worden.

Brisant ist die Sache, weil Wolff in politischen Debatten oft explizit als Jude seine Argumente vortrug. So zweifelte er aus dieser Position heraus etwa die Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance an, die betont, dass sich Erscheinungsformen von Antisemitismus auch gegen den Staat Israel richten können. Man kann natürlich einwenden: Sowohl jüdische als auch nichtjüdische Menschen kommen in dieser Frage zu unterschiedlichen Positionen und können zum Beispiel zionistisch oder antizionistisch sein. Doch Wolffs vermeintlich jüdische Stimme, die in Deutschland als solche viel zählt, hat dieses Kräfteverhältnis verschoben. Das ist insofern problematisch, als dass Wolff – wie man seinem Text nun entnehmen kann, was er jedoch vorher anders darstellte – nicht jüdisch sozialisiert wurde. Sein Verhältnis zu Israel und Antisemitismus ist damit von anderen Faktoren geprägt als das der meisten Jüdinnen und Juden in Deutschland.

Wir sind käuflich.

Aber nur für unsere Leser*innen. Damit nd.bleibt.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen

Werden Sie Teil unserer solidarischen Finanzierung und helfen Sie mit, unabhängigen Journalismus möglich zu machen.