Sabotage und Boykott bei Rammstein in Berlin

Nach den drei Rammstein-Konzerten wird über den Besuch Lindemanns im Kitkat und geänderte Liedzeilen diskutiert

Das letzte von drei Konzerten der Band Ramstein im Olympiastadion ist vorbei, es fand am Dienstagabend statt. Die Auseinandersetzungen rund um die bestehenden Vorwürfe gegen Sänger Till Lindemann gehen nach den Auftritten weiter.

So fordern einige DJs einen Boykott des Clubs Kitkat, wo Lindemann in der Nacht von Sonntag auf Montag anwesend war. Betreiberin Kirsten Krüger bestätigt auf Anfrage des »nd« Lindemanns Anwesenheit. Andere Bandmitglieder von Rammstein seien nicht vor Ort gewesen, nur Techniker*innen. »Gefeiert hat er nicht. Er hat an der Bar gesessen und was mit seiner Crew getrunken«, sagt Krüger. Die Boykott-Aufrufe seien ihr bekannt. »Daran kann ich nichts ändern.« Es werde aber innerhalb des Kitkat-Teams ausgiebig darüber diskutiert, wie man mit der aktuellen Situation und zukünftigen Fällen umgehen sollte. »Es gibt da bei uns viele verschiedene Meinungen zu dem Thema.«

Schon während des Konzerts am Sonntag kam es zu einer Protestaktion des Kollektivs Peng. »Wir waren im Olympiastadion, um aufzuzeigen, wie groß Rammsteins Macht ist und dass wir uns davon nicht unterkriegen lassen«, schreiben Peng auf Twitter. Dort spielen sie auf die Verwendung der Unschuldsvermutung durch Verteidiger*innen Lindemanns an: Sie seien legal im Stadion gewesen, hätten sich »nur mal umgesehen«, »unbewusst« an einem »Tape über den Kabelkanälen rumgeknibbelt«, Banner angebracht, Flugblätter verteilt und seien dann »unschuldig in Schmerzgriffen abgeführt« worden. »Dass wir von Medien und Staat sofort schuldig gesprochen wurden, obwohl es keine Beweise gibt, dass wir tatsächlich irgendwas sabotiert haben, zeigt vieles.«

Die Polizei gab an, sie habe zwei Menschen im Olympiastadion abgeführt, weil diese sich während des Konzerts an den Kabelbindern zu schaffen gemacht hätten, die zu Lautsprecherboxen in der Nähe der Bühne führten.

Peng wirft Rammstein weiterhin vor, durch umgeschriebene Liedzeilen Betroffene zu verhöhnen. Lindemann hatte am Samstag in einem Lied »alle haben Angst vor Lindemann« gesungen, am Sonntag wandelte er »die Vögel singen nicht mehr« zu »die Sänger vögeln nicht mehr« ab. »Till Lindemann darf nach wie vor auf der Bühne stehen und sich sicher fühlen, weil alle ›Unschuldsvermutung‹ brüllen und den mutmaßlichen Täter feiern«, schreibt Peng und kritisiert außerdem, dass Betroffene, die öffentlich Vorwürfe gegen Lindemann erheben, juristisch zum Schweigen gebracht würden.

Rammstein selbst veröffentlichte am Montag ein Schreiben von Lindemanns Anwälten: Es sei vor Gericht gelungen, eine einstweilige Verfügung gegen einen »Spiegel«-Artikel zu erlangen, in dem zahlreiche Frauen von Erfahrungen auf Rammstein-Konzerten berichteten. Lindemann und seine Anwälte bestreiten bislang alle Vorwürfe, dass Konzertbesucherinnen mit K.o.-Tropfen, Drogen oder Alkohol betäubt worden seien, um Lindemann sexuelle Handlungen an ihnen zu ermöglichen. Entsprechende Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft dauern an.

Die Polizei Berlin teilt auf Anfrage des »nd« mit, es sei im Zusammenhang mit den Konzerten zu 40 Anzeigen gekommen, darunter einige aufgrund von Körperverletzungen und Beleidigungen. In den meisten Fällen sei nicht zuzuordnen, ob es sich bei den Tatverdächtigen um Fans oder Kritiker*innen Rammsteins handle. »Die Maßnahmen zu den Sachverhalten ›Sicherstellung Banner‹, ›versuchte Sachbeschädigung‹ und ›Sachbeschädigung durch Graffiti‹ standen im Zusammenhang mit vermeintlichen Stör- oder Protestaktionen gegen die Rammstein-Konzerte«, so ein Sprecher der Polizei.

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