Werbung

Staatsjagd auf Kagarlitzky

Namhafter linker Publizist in Russland inhaftiert und angeklagt

Boris Kagarlitzky – seit vielen Jahren linker russischer Dissident, jetzt inhaftiert und angeklagt
Boris Kagarlitzky – seit vielen Jahren linker russischer Dissident, jetzt inhaftiert und angeklagt

»Politik zu machen darf kein Verbrechen sein« – dieser Satz, eigentlich eine Selbstverständlichkeit, stammt aus einer Erklärung des linken russischen Online-Portals »Rabkor« (abgekürzt für Arbeiter-Korrespondenz). Dessen Chefredakteur Boris Kagarlitzky wurde jetzt in Russland inhaftiert. Laut »Rabkor« wird er auf Grundlage von Artikel 205 des russischen Strafgesetzbuches angeklagt, in dem es um Rechtfertigung von Terrorismus geht. Das Strafverfahren wurde vom russischen Geheimdienst FSB eingeleitet, im schlimmsten Falle drohen ihm bis zu fünf Jahre Haft. Am Mittwoch veranlasste ein Gericht in Syktywkar zunächst eine Untersuchungshaft bis Ende September.

Nach Ansicht der Russischen Sozialistischen Bewegung handelt es sich in Wahrheit um einen »Akt politischer Vergeltung« für Kagarlitzkys Ansichten. Dieser äußert sich immer wieder kritisch zur russischen Politik. Das autoritäre System Putin hält er für nicht reformierbar, sieht allerdings die größte Gefahr in einem »Putinismus ohne Putin«.

Der Politikwissenschaftler, Soziologe und Marxist, 1958 geboren, ist der wohl bekannteste russische linke Theoretiker der Gegenwart. Als linker Aktivist hat er lange Erfahrungen mit behördlicher Drangsalierung. Schon in den 80er Jahren wurde er inhaftiert, ebenso während der russischen Präsidentschaft von Boris Jelzin in den 90ern. Auch 2021 saß er wegen Protest-Aufrufen nach den Duma-Wahlen zehn Tage im Gefängnis. 2018 wurde das von Kagarlitzky geleitete Institut für Globalisierung und soziale Bewegungen als ausländischer Agent eingestuft, im April 2022 wurde ihm selbst dieser Status aufgedrückt, der die Arbeit und die Kooperation mit Partnern drastisch einschränkt.

Teller und Rand – der Podcast zu internationaler Politik

Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.

Seine Online-Redaktion »Rabkor« erinnert in einem Statement daran, dass auch bei anderen Mitarbeitern schon Durchsuchungen stattfanden und sie verhört wurden. Das Team will »Rabkor« »zum Kernstück der internationalen Solidaritätskampagne für die Freilassung von Kagarlitzky machen«. Nach Ansicht der Russischen Sozialistischen Bewegung ist die Verhaftung ein Angriff auf die gesamte linke Szene in Russland. Die russischen Behörden arbeiteten an einer »völligen Säuberung der Überreste der Zivilgesellschaft«.

Der Präsident der Europäischen Linken, Walter Baier, schreibt in einem Protestbrief an Russlands Botschaft in Brüssel, die russischen Behörden seien »offensichtlich bemüht, alle im Westen erhobenen Vorwürfe zu bestätigen. Boris Kagarlitzky als ›ausländischen Agenten‹ und ›Rechtfertiger des Terrorismus‹ zu verfolgen, ist so absurd, wie den von der Russischen Föderation begonnenen Krieg als eine ›Spezialoperation‹ zu bezeichnen.« Kagarlitzky und sein Medium »Rabkor« gehörten zu den wenigen verbliebenen dissidenten Stimmen des Landes. Russland brauche Wahrheit ebenso wie den Frieden. Baier fordert die Beendigung der Repressionen gegen Kagarlitzky und seine Kollegen sowie die Herstellung der Meinungsfreiheit in Russland.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal