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Japan gegen Schweden: Die große Stil-Frage dieser Fußball-WM

Im WM-Viertelfinale prallen zwei konträre Ausrichtungen aufeinander, die auch den Weg weisen könnten, wohin sich der Fußball der Frauen entwickelt

  • Frank Hellmann, Sydney
  • Lesedauer: 4 Min.
Schwedens Fußballerinnen um Amanda Ilestedt (l.) wollen Mina Tanaka und ihren Japanerinnen die Spielfreude nehmen. Das gelang zuletzt im Viertelfinale bei Olympia.
Schwedens Fußballerinnen um Amanda Ilestedt (l.) wollen Mina Tanaka und ihren Japanerinnen die Spielfreude nehmen. Das gelang zuletzt im Viertelfinale bei Olympia.

Es ehrte Zećira Mušović, dass sie sich gar nicht zu lange im Glanze des Lichts sonnen wollte. Der historische Coup in der australischen Sportmetropole Melbourne gegen den Rekordweltmeister USA war noch keine Stunde alt, da legte die schier unüberwindbare Torhüterin der schwedischen Fußballerinnen bereits wieder ihre Stirn in Falten. Ihr Blick war schließlich schon aufs Viertelfinale gegen Japan an diesem Freitag (9.30 Uhr MESZ/ARD) gerichtet. »Sie sind das spannendste Team dieser WM und haben mich bisher am meisten beeindruckt«, verriet die 27-Jährige. »Es wird also eine andere große Herausforderung sein, aber im Leben ist alles möglich – wenn man es nur genug will.« Dann schloss sie die Augen.

Im gelben Nationaldress träumen die Skandinavierinnen als verschworene Gemeinschaft von mehr als nur dem Viertelfinale. In Sachen Widerstandskraft setzt »Tre Kronor« bei diesem Turnier fast die Maßstäbe. Ihr Spiel ist selten schön, aber erfolgreich. Der Ursprung liegt im Grunde im gewonnenen Viertelfinale gegen Deutschland (2:1) bei der WM 2019, als die Schwedinnen in der Gluthitze im nordfranzösischen Rennes ihren ewigen Angstgegner nach einem Rückstand doch noch niederrangen. Daraus entstand der Glaube, auch die Großmächte besiegen zu können. Bereits bei den Olympischen Spielen 2021 kam das Team ins Finale, erst im Elfmeterschießen besiegt von Kanada.

Jetzt geht es gegen den Trendsetter des Turniers. Das japanische Markenzeichen: schöner und schneller Fußball, erfolgreich und effizient. Neun Punkte ohne Gegentor in der Vorrunde, darunter eine spielerische Demonstration gegen Mitfavorit Spanien (4:0), danach ein Achtelfinale gegen Norwegen (3:1), was wie eine Pflichtübung aussah. »Nadeshiko« Japan, was übersetzt »Prachtnelken« heißt, blüht mit dieser WM wieder auf. Das unverdiente Aus im Achtelfinale vor vier Jahren gegen die Niederlande, übrigens auch in Rennes, ist überwunden.

Der neue Nationaltrainer Futoshi Ikeda kam nur zu seinem Job, weil die Weltmeisterinnen von 2011 bei den Olympischen Spielen 2021 im eigenen Land mit Medaillenambitionen auch schon im Viertelfinale gegen Schweden (1:3) ausschieden. Jetzt aber haben die Asiatinnen den richtigen Baumeister, der aus einem riesigen Reservoir an gut ausgebildeten Spielerinnen schöpft. Er presst ihre Talente aber nicht mehr in eine Schablone. »Ich denke, dass bei aller mannschaftlichen Geschlossenheit nur große Erfolge feiern kann, wer einzelne Spielerinnen mit überragenden individuellen Fähigkeiten in der Mannschaft hat.« Solch weise Sätze sagte der 52-Jährige schon vor fünf Jahren, als er die U20-Juniorinnen zum WM-Gewinn führte. Rund die Hälfte seines Kaders kennt er also schon lange aus dem Nachwuchsbereich.

Sein ganzheitlicher Ansatz verknüpft Lust mit Laufbereitschaft, Kampf mit Kreativität. Sein Team wirkt taktisch so wandlungsfähig wie ein Chamäleon im australischen Outback. Alle haben alles drauf: Ballbesitz- oder Umschaltfußball. »Unsere Auftritte zeichnen sich dadurch aus, dass wir so flexibel sind, dass wir unsere Stärken ausspielen und unsere Gegner gleichzeitig neutralisieren«, erklärt die mit fünf WM-Treffern überragende Hinata Miyazawa. Sie führt eine inspirierende Generation an, die nun aber skandinavischen Beton durchbrechen muss.

Schwedens Trainer Peter Gerhardsson setzt ganz darauf, den Spaßverderber zu spielen. Da versteht sich der Fußballlehrer aus Uppsala ganz als Pragmatiker: gute Ordnung, gewonnene Zweikämpfe, defensive Disziplin. Der Spielstil wirkt unter dem 63-Jährigen zwar nicht immer weltmeisterlich, aber das ging ja auch gegen den Favoriten aus Amerika gut. Auch ein Freundschaftsspiel gegen die deutschen Frauen in Duisburg endete Anfang des Jahres schon torlos.

Wenn die frühere Bundesligaspielerin Fridolina Rolfö jetzt sagt: »Wir brauchen wieder einen guten Matchplan«, heißt das nur, dass die Verteidigungshaltung noch verstärkt wird. Es kündigt sich somit an, dass in Auckland vor großer Kulisse auch eine Stilfrage dieser WM entschieden wird. Was verspricht Erfolg? Eher technisch anspruchsvoll mit dem Ball spielen oder körperlich resolut gegen den Ball arbeiten. Solch ein Klassenkampf kann leicht in die Verlängerung gehen. Womöglich wird er sogar erst im Elfmeterschießen entschieden. Und dann stünde wieder Zećira Mušović im Mittelpunkt. Sie wird schon wissen, warum sie sich am größten Tag ihrer Karriere gleich wieder auf den nächsten vielleicht noch größeren konzentriert hat.

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