Ungleicher Badespaß

Für gute Bäderbetriebe fehlt Kommunen oft das Geld

  • Felix Sassmannshausen
  • Lesedauer: 5 Min.

Kay Leichsenring steht am Beckenrand des Sportbads im Leipziger Westen. Der ausgebildete Fachangestellte für Bäderbetriebe wirkt entspannt, während er das Treiben auf den 50-Meter-Bahnen des Hallenbades beobachtet. Es ist Sonntagnachmittag, an der großen Fensterfront ziehen Regenwolken vorbei. Das moderne Bad wurde vor 15 Jahren gebaut und bietet viel Platz für Breitensport und Vereins- sowie Schulschwimmen. Es wird auch an diesem Sommertag rege genutzt, weil es im Freibad bislang oft zu kalt war.

»Unsere Arbeitsbedingungen sind gut«, erzählt Leichsenring im Gespräch mit »nd«. »Wir haben hier nicht dieselben Probleme wie teilweise in Berlin.« Er verweist damit auf ein Thema, das diesen Sommer bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hatte. Im Juli war im Kreuzberger Prinzenbad ein 32-Jähriger bewusstlos geschlagen worden, als dieser versucht hatte, einen Streit zwischen zwei Gruppen zu schlichten. Auch kam es wiederholt zu Angriffen auf Mitarbeiter*innen der Berliner Bäderbetriebe. »Solche Szenen kennen wir hier nicht«, sagt Leichsenring. Angriffe auf Kollegen oder Kolleginnen seien ihm nicht bekannt. »Unser Publikum ist sehr entspannt.«

Für die Gewerkschaft Verdi sind die Vorfälle in Berlin und in anderen Städten alarmierend. Ihnen müsse kurzfristig mit Sicherheitskonzepten begegnet werden. »Aufgrund der derzeitigen Situation in den Bädern ist auch die Vermittlung von Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Konfliktbewältigung und Selbstverteidigung unabdingbar«, teilt Frank-Robby Jost von Verdi auf nd-Anfrage mit. Er ist bei der Gewerkschaft unter anderem für die Bäderbetriebe zuständig. »Dafür bedarf es langfristiger und überregionaler Planungen und Absprachen. Daran hat es leider in den vergangenen Jahren gefehlt«, findet der Gewerkschafter.

Aus Sicht von Verdi liegen die Ursachen für die aktuellen Probleme auch in einer chronischen Unterfinanzierung der bundesweit rund 6500 Schwimmbäder mit ihren über 24 000 Beschäftigten. Es gebe zu wenig Personal und zu wenig Platz in den Bädern. »In den sommerlichen Spitzenzeiten treten die Probleme offen zutage«, kritisiert die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Christine Behle. »Die Bäder wurden auf Kosten der Beschäftigten und der Badegäste zusammengespart.«

Das liegt auch an der schwierigen Finanzlage in den Kommunen. Der Bäderbetrieb ist teuer. Die meisten Anlagen können nur durch kommunale Zuschüsse betrieben werden. In Leipzig sind das etwa sechs Millionen Euro jährlich. Allerdings fehlt es vielen Kommunen an Geld, um die Bäder zu erhalten und dringend benötigte Investitionen zu tätigen. Einer Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik zufolge beträgt der kommunale Investitionsrückstand für das Jahr 2023 insgesamt etwa 165 Milliarden Euro. Davon wird der Fehlbetrag für Sportstätten auf über zwölf Milliarden Euro beziffert. Für Schwimmbäder lag der Sanierungsstau dem bundesweiten Zusammenschluss Bäderallianz zufolge im Jahr 2016 bei knapp 4,5 Milliarden Euro. Aktuelle Zahlen gibt es allerdings nicht, wie Daniela Schönwälder für den Deutschen Städtetag auf nd-Anfrage mitteilt. Der Partei Die Linke zufolge wurden aufgrund der Mittelknappheit in den Kommunen in den letzten 20 Jahren durchschnittlich etwa 40 Schwimmbäder pro Jahr geschlossen.

Laut Behle von Verdi führt die Mittelknappheit in den Bädern bundesweit auch zu schlechten Arbeitsbedingungen und Personalmangel, was deren Bestand gefährde. Teils würden Quereinsteiger eingestellt, die deutlich unter Tarif bezahlt werden, kritisiert die Gewerkschaft. Eine erhöhte Arbeitsbelastung habe zudem hohe Krankenstände zur Folge. Bundesweit liegt letzterer laut Verdi bei durchschnittlich neun Prozent, in Berlin gar bei 16 Prozent. Zudem sei etwa in Hannover nur die Hälfte der Ausbildungsplätze besetzt. Um Schwimmbäder betreiben zu können, braucht es Fachangestellte für Bäderbetriebe wie Kay Leichsenring, die eine dreijährige Ausbildung durchlaufen. Sie beaufsichtigen den Betrieb, betreuen die Gäste und überwachen die technischen Anlagen. Laut Verdi fehlen in den Bädern bundesweit rund 2500 Fachkräfte.

»Solche Probleme haben wir in Leipzig nicht«, sagt Leichsenring. »Bei uns sind alle Stellen besetzt.« Im Sommer würden zusätzliche Saisonkräfte eingestellt für die Freibäder. »Wir haben einen guten Haustarifvertrag.« Selbst in der Pandemie habe es trotz Kurzarbeit keine Einkommenseinbußen gegeben. »Die Arbeitsbedingungen sind so gut, dass Kollegen von anderen Bädern etwa in Halle aus einem unbefristeten in einen befristeten Vertrag zu uns wechseln«, erzählt der Betriebsratsvorsitzende. »Mit Aussicht auf einen unbefristeten Vertrag«, ergänzt er nach kurzer Pause. Gerade laufen die Tarifverhandlungen im Betrieb, an denen auch Verdi beteiligt ist. Natürlich gebe es immer Luft nach oben, sagt Leichsenring. Aber insgesamt ist er mit den Arbeitsbedingungen zufrieden.

Aus Unternehmenssicht bestätigt das auch Katja Gläß. Sie ist Pressesprecherin der Leipziger Wasserwerke und Sportbäder. »Wir sind personell gut aufgestellt«, teilt sie auf nd-Anfrage mit. Einen vergleichbaren Krankenstand wie in Berlin gebe es nicht. »Und im operativen Bäderbetrieb sind aktuell alle Stellen besetzt. Bisher konnten bei uns nahezu alle Ausbildungsplätze vergeben werden«, erklärt Gläß. Aber der Fachkräftemangel machte sich zuletzt auch in den Bäderbetrieben durch sinkende Bewerberzahlen bemerkbar. »Wir betreiben einen hohen Aufwand, um junge Menschen auf uns und unsere Ausbildungsberufe aufmerksam zu machen.« Auch um den zusätzlichen Personalbedarf zu decken, der aus dem Bau eines neuen Schwimmbades im Leipziger Osten resultiert.

Die Bedingungen in der Messestadt legen nahe, dass eine solide Finanzierung und gute Arbeitsbedingungen für einen entspannten Betrieb und ein angenehmes Klima unter den Badegästen entscheidend sind. Um die Bedingungen in den Schwimmbädern bundesweit zu verbessern, fordert Die Linke mehr Geld vom Bund. Die Kommunen sollen jährlich mit etwa 548 Millionen Euro zusätzlich bezuschusst werden. Zudem fordert die Partei 14 Milliarden Euro, um den Investitionsrückstand aufzuholen und den Bestand zu sichern. Damit ließen sich vielleicht ähnliche Konditionen herstellen wie für Kay Leichsenring und seine Kolleg*innen in Leipzig.

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