Wasser marsch

Tausende Unternehmen in Deutschland leben vom Geschäft mit dem blauen Nass

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Ozeane, Flüsse und Seen bedecken drei Viertel der Erdoberfläche. Und doch ist Trinkwasser ein knappes Gut. Nur schätzungsweise drei Prozent der Wassermassen eignen sich für die Verarbeitung und den menschlichen Verzehr. Insbesondere auf der Südhalbkugel ist die Versorgung mit frischem Trinkwasser vielerorts stark gefährdet. Auch weil viel Wasser für die Produktion von Konsumartikeln für den »Globalen Norden« verbraucht wird. Hingegen ist Deutschland wasserreich. Daher ist Daniela Jacob, Direktorin des »Climate Service Center Germany« und Autorin im Weltklimarat, überzeugt: »Uns wird das Trinkwasser nicht ausgehen.«

Die öffentliche Wasserversorgung steht dennoch auch hierzulande vor Herausforderungen. In heißen Sommern verdunstet zu viel Regenwasser, bevor es versickern kann. Auch in niederschlagsarmen Wintern bildet sich weniger Grundwasser. Während der Trockenjahre 2018 bis 2020 und 2022 ist laut Bundesumweltamt der Grundwasserstand in vielen Regionen Deutschlands »deutlich gesunken«. Das sogenannte Wasserdargebot aus Grund-, Oberflächen- und Quellwasser beträgt nun etwa 180 Milliarden Kubikmeter, sechs Prozent weniger als in den 1990er Jahren. Und: »Der Druck auf die Ressource Grundwasser wird in Zukunft weiter steigen.« Ein Grund ist die zunehmende Versiegelung des Bodens durch den Neubau von Wohnvierteln, Gewerbe- und Industriegebieten sowie von Straßen. Dies beeinflusst einerseits die Versickerungsfähigkeit des Bodens und damit die Qualität der Trinkwasserressourcen sowie anderseits die Neubildung von Grundwasser.

Das Trinkwasser der öffentlichen Versorgung stammt aber zu 70 Prozent aus Grund- und Quellwasser. Nur rund 13 Prozent werden Seen und Talsperren entnommen, der Rest kommt aus aufbereitetem Oberflächenwasser, Uferfiltrat oder direkt aus Flüssen. Diesen Job erledigen rund 6000 Wasserbetriebe, üblicherweise öffentliche Stadtwerke und kommunale Wasserwerke. Sie betreiben ein Trinkwassernetz von 530 000 Kilometern Länge. Auch der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW), dem die meisten Wasserbetriebe angehören, hält die Wasserversorgung für sicher. Für die Zukunft seien aber bessere »regionale Lösungen« notwendig.

Zwar gibt es große Verbundnetze beispielsweise von den Ostfriesischen Inseln bis nach Bremen. »Aber Kooperationen werden in Zukunft noch wichtiger«, so Karsten Specht, Vizepräsident des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), dessen Mitglieder 90 Prozent aller Einwohner Deutschlands mit Trinkwasser versorgen. Specht schlägt vor, die Leitungsverbünde weiter zu ergänzen, »um die Wasserversorgung langfristig überall sicherzustellen«. So haben kleinere Versorger in abgelegenen Regionen während längerer Hitzeperioden Probleme mit ausgetrockneten Brunnenanlagen.

Dabei sind die Grundwasservorkommen nicht allein lokal, sondern auch regional sehr unterschiedlich verteilt. Die mächtigen Sand- und Kieselablagerungen in der norddeutschen Tiefebene und dem Alpenvorland schwimmen gewissermaßen im Wasser. Gleiches gilt für den Oberrheingraben und die Niederrheinische Bucht. Trockener sieht es hingegen in den Mittelgebirgen aus. Was sich auch in unterschiedlichen Kosten der Versorger und in den Entgelten für die Trinkwasserversorgung niederschlägt: Während ein typischer Haushalt in Brandenburg oder Niedersachsen lediglich rund 200 Euro pro Jahr zahlt, müssen Thüringer oder Saarländer um die 300 Euro berappen.

Seit 1990 ist der private Verbrauch zurückgegangen. Ökonomen führen dies vor allem auf den individuellen verbrauchsabhängigen Preis, der mittels Wasserzähler in jeder Wohnung ermittelt wird, zurück. Wasser sparen ist allerdings nur in Maßen »ökologisch«. Da die Leitungen einen gewissen Durchfluss benötigen, müssen Wasserversorger zunehmend ihre Leitungen spülen.

Etwa fünf Milliarden Kubikmeter Trinkwasser werden pro Jahr öffentlich bereitgestellt. Kraftwerke, Industrie und Landwirtschaft fördern und nutzen jedoch die dreifache Menge, rund 15 Milliarden Kubikmeter, vor allem für die Kühlung von Produktions- und Stromerzeugungsanlagen. Meist wird es aus Flüssen und Seen gepumpt – und später wieder mehr oder weniger im gleichen Zustand zurückgeleitet. Ein Teil verdunstet allerdings dabei. Für Ärger sorgt bundesweit zudem, dass industrielle Großverbraucher weit weniger als Privathaushalte zahlen. Und in Bayern, Hessen und Thüringen fällt für sie gar kein Wasserentnahmeentgelt an.

Der Anteil der Landwirtschaft am Wasserverbrauch ist entgegen der gängigen öffentlichen Wahrnehmung überschaubar, er beträgt weniger als drei Prozent des Wassereinsatzes in der Wirtschaft. Und könnte infolge moderner Tröpfchentechnik im Obst- und Gemüseanbau, Satellitendaten und Öko-Landbau weiter sinken. Zu einem großen Thema könnte hingegen noch die Energiewende werden: Für die sich abzeichnende massenhafte Wasserstoffproduktion werden eines Tages erhebliche Wassermengen benötigt werden.

Spätestens hier kommt die Politik ins Spiel. »Die Selbstverständlichkeit einer seit Jahrzehnten einwandfrei funktionierenden Wasserversorgung hat dazu geführt, dass sie aus dem Fokus von Politik, Gesetzgebung und Gesellschaft geraten ist«, beklagt Gerald Linke, DVGW-Vorstandsvorsitzender. Ein strategisches Defizit, welches auch von Umweltverbänden beklagt wird. Ob die Nationale Wasserstrategie, die im März vom Bundeskabinett verabschiedet wurde, daran etwas ändern wird, bleibt abzuwarten. Kritikern gilt sie als wenig konkret.

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