Kalte Schulter für Flüchtlinge

In Melonis Italien wird das Asylrecht unter Missachtung internationaler Normen verschärft

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein neues Rundschreiben des Innenministers Matteo Piantedosi (hier mit der Postfaschistin Giorgia Meloni) verschärft die Situation von Geflüchteten
Ein neues Rundschreiben des Innenministers Matteo Piantedosi (hier mit der Postfaschistin Giorgia Meloni) verschärft die Situation von Geflüchteten

Auch im Hochsommer, bei weit über 30 Grad im Schatten, ist die Regierung von Giorgia Meloni äußerst aktiv bei der Bekämpfung ihrer Lieblingsfeinde – der Migranten. Diese, vor allem wenn sie aus Afrika kommen, sind bei der Regierung der Postfaschistin so »beliebt«, weil sie keine Lobby haben – weder in Italien noch im Rest Europas Europa.

Dieses Jahr sind bereits über 100 000 Flüchtlinge über das Mittelmeer gekommen – mehr als in jedem anderen Jahr davor. Und das, obwohl Italiens Ministerpräsidentin vor wenigen Monaten lautstark verkündet hatte, dass sie die Schlepper »mit allen Mitteln rund um den Erdball« verfolgen würde.

Das hat offensichtlich nicht funktioniert. Und wenn man die Ankunft der Verzweifelten, die bei der Überfahrt ihr Leben riskieren, schon nicht verhindern kann – wird sich Italiens Innenminister Matteo Piantedosi gedacht haben –, dann muss man eben ihren Aufenthalt im Mittelmeerland so unangenehm wie möglich machen. Denn auch Ausweisungen und Rückführungen der »Illegalen« funktionieren nicht wirklich: In den letzten Jahren waren es nie mehr als 5000 pro Jahr.

Mit den für mehr Abschiebungen notwendigen Rückführungsabkommen mit »sicheren Herkunftsländern« geht es nur schleppend voran: Selbst mit Tunesien, dem nordafrikanischen Land, mit dem die Beziehungen am besten sind (sprich: wohin das meiste italienische Geld fließt), funktioniert es nicht so richtig. Tunis hat sich zwar verpflichtet, die Migranten aus Tunesien zurückzunehmen – allerdings nur diejenigen, die tatsächlich die tunesische Staatsbürgerschaft haben, nicht aber diejenigen, für die das nordafrikanische Land nur ein Transitstaat war.

In den ersten Monaten dieses Jahres kamen die meisten Flüchtlinge über Tunesien und Ostlibyen aus der Elfenbeinküste, Guinea und Pakistan. Piantedosi will jetzt die italienischen Geheimdienste an die tunesischen Strände schicken, damit sie den Bau von Booten für die Überfahrt verhindern ...

Aber auch im Inneren Italiens hat er Großes vor. Er kann zwar nicht das gesamte Asylrecht umschreiben, da dieses zum großen Teil auf internationalen Konventionen basiert, aber einige Teile will er »verschärfen«. Dies betrifft vor allem Migranten mit »internationalem oder besonderem Schutz«.

Am 7. August hat der Innenminister ein Rundschreiben verschickt, in dem er alle Verantwortlichen auffordert, »sofort« die Aufnahmeprotokolle für diese Personen zu stoppen. Sie sollen keine temporäre Aufenthaltsgenehmigung erhalten und nicht in die regulären Aufnahmezentren geschickt werden. Konkret heißt das, dass Tausende Migranten fortan direkt auf der Straße landen, wo sie entweder verhungern oder betteln können oder aber in die Fänge der organisierten Kriminalität gelaraten.

Das Vorhaben widerspricht den italienischen und europäischen Gesetzen und wälzt die finanzielle Last auf die Kommunen ab. Außerdem kann man die »besondere Verwundbarkeit« dieser Personen, die oft schwer traumatisiert sind, dort gar nicht feststellen, da die Gemeinden dafür weder über die Ausstattung noch über geschultes Personal verfügen. Und das alles geschieht unter den wohlwollenden Augen der EU und von Kommissionschefin Ursula von der Leyen, die Giorgia Meloni zu ihrer liebsten Verbündeten im Kampf gegen die »illegale Migration« auserkoren hat.

Und schließlich noch etwas: In diesen Tagen wird in Pozzallo auf Sizilien das erste geschlossene Lager für Flüchtlinge eingerichtet, die aus »sicheren Herkunftsländern« kommen und »wenig Aussicht« auf den Asylstatus haben. Hier sollen die Migranten zügig identifiziert werden, und innerhalb eines Monats soll festgestellt werden, wer eventuell bleiben darf und wer nicht.

All das löst aber nicht die beiden grundlegenden Probleme. Zum einen bleiben die Ursachen für die massenhafte Flucht über das Mittelmeer unberührt. Und zum anderen und vor allem werden mit dieser Politik keine Menschenleben gerettet. Dieses Jahr sind bereits 2100 Männer, Frauen und Kinder ertrunken – ebenfalls eine Rekordzahl.

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