Linke-Fraktionsmitarbeiter vor Arbeitslosigkeit

Mitarbeiter der Bundestags-Linksfraktion bangen wegen der Spaltung der Partei um ihre Jobs

Das böse Wort von der Liquidation der Linke-Bundestagsfraktion macht schon seit längerer Zeit die Runde. Nur drei Abgeordnete müssen die Fraktion verlassen, dann wäre sie aufgelöst. Wie es dann weitergeht, mit einer oder mehreren Gruppen, darüber gibt es genug Spekulationen. Fest steht: Zahlreiche Jobs sind durch die Spaltung gefährdet.

Die Beschäftigten in der Bundestagsfraktion kann man grob in zwei Gruppen einteilen. Auf der einen Seite gibt es die Mitarbeiter*innen der Abgeordneten. Sie werden von den Bundestagsmitgliedern selbst angestellt und sind von den Folgen der Spaltung nicht betroffen. Ihre Jobs hängen am Mandat der Abgeordneten. Die andere Gruppe sind die Beschäftigten der Fraktion. Sie sind für allerlei organisatorische Dinge verantwortlich oder arbeiten als thematische Expert*innen. Derzeit sind knapp 100 Menschen bei der Linksfraktion angestellt.

Einen Betriebsrat hat die Bundestagsfraktion auch, sein Vorsitzender ist Christian Posselt. »Natürlich führen wir Gespräche mit der Fraktionsführung«, sagte er dem »nd«. Bei der in aller Öffentlichkeit laufenden Spaltungsdebatte könne man nicht so tun, als ob keine Gefahr besteht, das wäre »fahrlässig«. Posselt sagt, dass sich eigentlich alle Mitarbeiter*innen wünschen, dass es mit der Fraktion weitergeht. Seine Prognose? »Ich würde keine Wetten abschließen.« Es könne sein, dass es bis zum Ende der Legislaturperiode gut geht, vielleicht aber auch nicht. Auch vermeintlich nah dran zu sein, ermögliche keine bessere Einschätzung zur Zukunft der Fraktion. Diese Ungewissheit mache die Arbeitssituation besonders belastend. Umbrüche ist die Fraktion gewohnt; wie viele bei ihr arbeiten können, das hängt immer vom Wahlergebnis ab. Die Sicherheit, für eine ganze Legislatur zu planen, gibt es gerade aber nicht. Posselt erzählt, dass einige Mitarbeiter*innen schon gekündigt haben. Viele schauten sich um, für andere stellt sich die Frage, wo sie »mit einer linken Erwerbsbiografie« unterkommen können.

Nicht nur wegen ihrer Erwerbsbiografien hängen die Beschäftigten an der Fraktion. Pösselt sagt, »es hängt immer das Herz dran«, die Mitarbeiter*innen seien entweder selbst in der Linken aktiv oder würden, ohne Mitglied zu sein, für linke Inhalte eintreten. Im Streit um die Spaltung der Partei hätten sie eine »merkwürdige Rolle«: einerseits einfache Mitarbeiter, andererseits selbst aktiv und mit eigenen Vorstellungen von linker Politik. Posselt ist sich sicher, die Mitarbeiter*innen werden »professionell weitermachen«, solange es die Fraktion gibt.

Das sagt auch ein anderer Fraktionsmitarbeiter, der nicht namentlich genannt werden will. Auf die Spaltung hat er einen anderen Blick. »Es ist jetzt überfällig«, meint er. Die letzten anderthalb Jahre seien eine Qual gewesen. Man sei lange darauf vorbereitet gewesen, dass die Spaltung ansteht. Der Mitarbeiter gehört nicht zu den ganz Alten in der Fraktion, er reflektiert seine Position und sagt, dass er es verstehen könne, wenn gerade ältere Kolleg*innen darauf hoffen, dass die Fraktion überlebt. Sollte die Fraktion liquidiert werden, würden die Mitarbeiter*innen wohl noch drei bis fünf Monate bei voller Bezahlung freigestellt, dann stünde die Arbeitslosigkeit an. Eine Abfindung müssten Mitarbeiter*innen einklagen.

Auch der Fraktionsmitarbeiter berichtet darüber, dass zahlreiche Mitarbeiter*innen die Fraktion verlassen haben. »Viele gute Leute sind schon gegangen«, erzählt er. Bei der Nachbesetzung von Stellen kämen viele Leute »frisch von der Uni«. Für Menschen, die schon Erfahrungen bei NGOs, Verbänden oder Gewerkschaften haben, sei Die Linke derzeit einfach kein attraktiver Arbeitgeber.

Wie motiviert ist man in so einer Situation als Mitarbeiter? »Es gibt natürlich Durchhänger«, erzählt der Mitarbeiter, auf der anderen Seite, sei man »in den Themen«, und da gebe es gerade genug, wo »der Baum brennt«. Deswegen arbeite man mit voller Energie weiter, versuche linke Positionen zu vermitteln. Man arbeite ja nicht jahrelang zu einem Thema und sage dann: »Keine Lust, der Partei geht es gerade schlecht.« Progressive gesellschaftliche Kräfte könnten sich im Parlament ja nur an Die Linke wenden. Da gehe es auch um die Zeit nach einer möglichen Spaltung, man müsse weiter verlässlich sein. Dass eine Spaltung mittlerweile als gegeben angesehen wird, mache die Kommunikation zumindest gegenüber Journalist*innen und Expert*innen »ein Stück weit einfacher«. Man werde jetzt weniger auf widersprüchliche Haltungen der Fraktion angesprochen. Im Alltag sei es noch anders, da werde man weiter als eine Linke wahrgenommen.

Wie lange es als Fraktion weitergeht, darüber möchte der Mitarbeiter nicht spekulieren. Auch sie erführen die neuesten Wendungen und Gerüchte in der Regel aus den Medien. Das Weihnachtsgeld sei wohl noch sicher. Laut aktuellen Youtube-Videos aus dem Umfeld von Sahra Wagenknecht wird eine Parteigründung erst im Januar 2024 angestrebt.

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