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Zählgemeinschaft aufgelöst: Politischer Tumult in Lichtenberg

CDU beendet Zählgemeinschaft mit SPD und Grünen

Arena für Ränkespiele: Das Rathaus von Lichtenberg
Arena für Ränkespiele: Das Rathaus von Lichtenberg

Ein kommunalpolitisches Erdbeben in Lichtenberg: Die CDU kündigt die Zählgemeinschaft mit SPD und Grünen in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) auf. Das berichtete der »Tagesspiegel«. »Mit sofortiger Wirkung« werde das Bündnis aufgelöst, so Martin Pätzold, Abgeordnetenhausmitglied aus Lichtenberg, gegenüber der Zeitung. Zuvor hatte die BVV mit den Stimmen von SPD, Grünen, Linke und Tierschutzpartei einen Missbilligungsantrag gegen Schulstadträtin Catrin Goksch (CDU) beschlossen.

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Hintergrund der Verwerfung ist der Streit um die Obersee-Schule in Alt-Hohenschönhausen. Schon seit Jahren wird darum gestritten, ob auf dem Schulhof der Grundschule ein Ergänzungsbau entstehen soll, der Platz für 200 zusätzliche Schüler schaffen würde. Förderverein und Lehrerschaft der als vergleichsweise privilegiert geltenden Schule wollen die Bebauung verhindern.

Die Position der Bezirksverwaltung wechselte in den vergangenen Jahren mit der Parteizugehörigkeit des Schulstadtrats. Der heutige Bezirksbürgermeister Martin Schaefer (CDU) kündigte kurz vor Ende seiner Amtszeit als Schulstadtrat 2021 an, die Pläne nicht weiterzuverfolgen. Ein Beschluss, den die auf Schaefer folgende Schulstadträtin Filiz Keküllüoğlu (Grüne), nur wenige Tage nach Amtsantritt wieder zurücknahm. Nach der Wiederholungswahl fiel der Posten wieder an die CDU, die Catrin Goksch benannte. Zwar beschloss die BVV noch, die Ausbaupläne weiterzuführen, doch erklärte CDU-Mann Pätzold im August, dass Goksch die Pläne endgültig begraben hätte.

Zwar beschloss die BVV im Juni noch, die Ausbaupläne weiterzuführen, doch erklärte CDU-Mann Pätzold im August, dass Goksch die Pläne endgültig begraben habe. Stattdessen sollten mehr Plätze an anderen Schulen geschaffen werden und eine Gynmnastikhalle mit Unterrichtsräumen gegenüber der Obersee-Schule entstehen.

Am Donnerstagabend eskalierte der Streit dann auf der BVV-Sitzung. Die Schulstadträtin selbst war krankheitsbedingt nicht anwesend. Während die linken Parteien Goksch vorwarfen, einen »Alleingang« zu verfolgen und den im Juni getroffenen BVV-Beschluss zu ignorieren, spricht die CDU von »Hetze« gegen ihre Schulstadträtin. Die könne schließlich selbst über Angelegenheiten ihres Ressorts entscheiden, so Pätzold gegenüber dem »Tagesspiegel«.

Auch die betroffenen Eltern meldeten sich zu Wort. Sie befürchten, dass Gokschs Alternativpläne bedeuten würden, dass ihre Kinder aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen werden. Tatsächlich sieht Gokschs »Filiallösung« vor, dass mehrere Grundschulen Klassen untereinander tauschen und dass Schüler in durch mehrere Kilometer getrennten Gebäuden unterrichtet werden.

Bezirksbürgermeister Martin Schaefer (CDU) war um Schadensbegrenzung bemüht. Die Verlegung sei »nur ein Angebot, das nicht angenommen werden muss«, sagte er laut »Berliner Zeitung« in der Sitzung. Dass er »Kommunikationsfehler« sieht, ändert aber nichts an der Missbilligung durch die BVV.

Nach dem Ende der Zählgemeinschaft ändert sich formal zunächst wenig. Mit der Verbindlichkeit einer Koalition auf Landesebene ist das kommunale Bündnis nicht zu vergleichen. Sowohl Bezirksbürgermeister Schaefer als auch die ohnehin nach Parteienproporz besetzten Stadträte bleiben im Amt. Die gemeinsamen Vorhaben, auf die sich CDU, SPD und Grüne mit Abschluss der Zählgemeinschaft geeinigt haben, liegen aber nun vorerst auf Eis – und im Senat wird man die chaotischen Verhältnisse im Bezirk wohl auch nicht gerade mit Begeisterung aufnehmen. Die Senatsbildungsverwaltung scheint die Pläne für den Ergänzungsbau am liebsten weiterverfolgen zu wollen, wie Schaefer von einem Gespräch mit Schulstaatssekretär Thomas Kühne (CDU) berichtete.

Lichtenbergs Baustadtrat Kevin Hönicke (SPD) warf der CDU in einer Mitteilung vor, »Chaos zu stiften«. »Mich enttäuscht, was ich in den letzten Tagen von der CDU erlebt habe«, schreibt der Kommunalpolitiker. Gokschs Pläne seien »nicht durchdacht«. Mit den anderen Bezirksamtsmitgliedern seien sie nicht abgesprochen gewesen. Der für eigenwillige bis widersprüchliche Äußerungen bekannte Bezirkspolitiker teilte aber auch mit: »Meine Solidarität für Catrin Goksch ist bei allen inhaltlichen Differenzen weiterhin absolut da.«

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