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Berlin: Doch keine Lösung im Streit um Trostfrauen-Denkmal

Genossenschaft widerspricht Bezirksamt

Das Trostfrauen-Mahnmal in Moabit könnte bald umziehend müssen.
Das Trostfrauen-Mahnmal in Moabit könnte bald umziehend müssen.

Für kurze Zeit sah es so aus, als ob es in einem der aktuell größten erinnerungspolitischen Streite in der Hauptstadt zu einer Lösung gekommen sei. Die sogenannte Friedensstatue, ein privat errichtetes Denkmal, das an sexuelle Gewalt und japanische Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg erinnert, soll einen neuen Standort bekommen. »Nach September kann sie auf eine öffentlich zugängliche Fläche der Mietergenossenschaft Unionplatz Tiergarten eG (MUT eG) in der Unionsstraße 8 umziehen«, heißt es in einer Pressemitteilung des Bezirksamts Mitte, die kurz darauf von zahlreichen Hauptstadtmedien weiterverbreitet wurde.

Doch bei der Unionplatz-Genossenschaft, auf deren Grundstück die Friedensstatue nach Bezirkswillen zukünftig stehen soll, widerspricht man der Darstellung. »Wir waren überrascht, das in den Medien zu lesen«, sagt Geschäftsführer Christian Palmer zu »nd«. Die Mitgliederversammlung der Genossenschaft habe sich zwar dafür ausgesprochen, einen alternativen Standort für das Mahnmal anzubieten – doch grundsätzlich präferiere man den aktuellen Standort direkt am Unionplatz. »So lange wir keine konkrete Anfrage vom Korea-Verband erhalten, wird nichts passieren«, sagt er.

Für den Umzug müsste der vermeintlich neue Standort an einer Wohnanlage der Genossenschaft etwa 100 Meter vom aktuellen Standort entfernt zudem baulich umgestaltet werden. Das Bezirksamt habe zugesagt, dafür die Kosten zu übernehmen. Doch eine entsprechende Koordination mit dem Bezirksamt habe bislang nicht stattgefunden, so Palmer.

Die Kontroverse um die Friedensstatue beschäftigt die Berliner Landespolitik seit etwa einem Jahr. Das Mahnmal wurde 2020 auf Initiative des Korea-Verbands, einer Interessenvertretung koreanischer Migranten, errichtet. Die bronzene Statue – eine sitzende Frauenfigur, die »Ari« getauft wurde – soll an das Leid koreanischer Zwangsprostituierter im Zweiten Weltkrieg erinnern und zugleich generell sexuelle Gewalt in bewaffneten Konflikten anprangern. Die etwa 200 000 Opfer des japanischen Feldbordellsystems werden häufig euphemistisch als »Trostfrauen« bezeichnet.

Seit der Einweihung der Friedensstatue kam es immer wieder zu Versuchen der japanischen Regierung, Einfluss auf die Berliner Stadtpolitik zu nehmen, die Statue wieder zu entfernen. Im Jahr 2024 nahm die Diskussion an Fahrt auf. Recherchen von »nd« haben gezeigt, dass es zuvor zu Treffen von Vertretern der japanischen Botschaft mit einer Abteilungsleiterin der Senatskulturverwaltung sowie Bezirkspolitikern in Mitte kam. Auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) stand in der Kritik. Er ließ sich im Mai 2024 damit zitieren, dass eine »einseitige Darstellung« nicht mehr stattfinden dürfe. Zuvor hatte er sich mit dem japanischen Botschafter und der damaligen japanischen Außenministerin Yoko Kanikawa getroffen.

Auch Stefanie Remlinger (Grüne), Bezirksbürgermeisterin von Mitte, sprach sich dafür aus, die Statue zu entfernen. Sie verwies auf eine Richtlinie des Bezirks, laut der privat errichtete Kunstwerke nicht länger als zwei Jahre an öffentlichen Plätzen verbleiben dürfen. Ein Verein, dessen Vorstand ein ehemaliger Rüstungslobbyist und ein prominenter Vertreter des Realo-Flügels der Grünen in Mitte angehören, bewarb sich um eine alternative Gestaltung. Zuletzt entschied ein Gericht nach einer Klage des Korea-Verbands, dass die Statue zunächst bis zum September stehen bleiben darf. Eine Entscheidung in der Hauptsache wurde vor Gericht noch nicht getroffen.

»Viele unserer Mitglieder unterstützen den Gedenkort seit seiner Eröffnung«, sagt Genossenschaftsgeschäftsführer Christian Palmer. Ein Erinnern an die japanischen Kriegsverbrechen sei notwendig – gerade in Deutschland, das im Zweiten Weltkrieg mit Japan verbündet war. »Wenn dieses Gedenken in Japan nicht stattfinden kann, muss es an einem anderen Ort sichtbar sein«, sagt Palmer.

Das Mahnmal sei im Kiez als Gedenkort anerkannt. »Man sieht immer wieder, wie Passanten vor der Friedensstatue innehalten«, berichtet Palmer. Daher habe man sich bereiterklärt, notfalls einen Alternativstandort anzubieten. Doch als Aufforderung sei das nicht zu verstehen. Vielmehr unterstütze man weiterhin einen Erhalt des ursprünglichen Standorts.

Denn der anvisierte neue Standort am Rande einer Wohnanlage der Genossenschaft sei nicht so exponiert. Er befinde sich am Rande einer weniger frequentierten Sackgasse. Derzeit versperre noch ein Zaun den Zugang. Er müsste zunächst verschoben werden.

Auch beim Korea-Verband reagiert man irritiert auf die Mitteilung des Bezirksamts. »Wir sind sehr wütend«, sagt Nataly Jung-Hwa Han, Vorstandsvorsitzende des Korea-Verbands. Eigentlich sei in der kommenden Woche ein Gespräch zwischen Bezirksvertretern und dem Verband geplant gewesen. Dem habe das Bezirksamt nun vorweggegriffen.

»Das Thema soll auf ein privates Grundstück abgeschoben werden«, kritisiert Han. »Die Verantwortung wird damit abgegeben.« Zwar sei man der Genossenschaft dankbar, dass sie einen neuen Standort bereitstellen würde, doch das Ziel des Verbands bleibe, den derzeitigen Standort zu erhalten. »Das Mahnmal ist in der Nachbarschaft akzeptiert«, sagt sie. Es sei absurd, dass das Bezirksamt mit Steuergeldern einen neuen Standort herrichten wolle, wenn es bereits einen bestehenden gebe. Der geplante neue Standort sei zudem zu klein, weil regelmäßig Veranstaltungen am Mahnmal stattfänden.

Han hofft darauf, dass das Bezirksamt noch einlenkt. »Es muss eine Ausnahmeregelung getroffen werden«, sagt sie. Das Mahnmal sei von besonderer erinnerungspolitischer Bedeutung für Berlin. Sollte es zu keiner Ausnahmeregelung kommen und auch das Verwaltungsgericht die Haltung des Bezirksamts bestätigen, werde man sich aber »alle Optionen offenhalten«, so Han.

»Ein konkretes Einverständnis des Korea-Verbands zur Annahme des Alternativstandorts liegt derzeit noch nicht vor«, gesteht das Bezirksamt auf nd-Anfrage ein und spricht nun deutlich zurückhaltender davon, dass man »auf eine einvernehmliche Lösung hofft«. Die Mitteilung stütze sich auf einen »längeren Gesprächsprozess« mit der Unionplatz-Genossenschaft, der seit November 2024 andauere. Der Vorstand der Genossenschaft sei »fortlaufend über den politischen, juristischen und verwaltungsrechtlichen Sachstand« informiert worden. Man plane weitere Gespräche.

Der neue Standort stelle eine »tragfähige Alternative« dar, schreibt eine Sprecherin des Bezirksamt weiter. Das Bezirksamt prüfe derzeit, ob die Kosten der Umsetzung übernommen werden können. »Die Kostenfrage soll nicht das entscheidende Hindernis sein«, wird Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger zitiert.

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