Die Linke muss das Soziale mit dem Klima verbinden

Lasse Thiele über eine Neuausrichtung der Linkspartei

  • Lasse Thiele
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Sommer brachte nicht nur ein Rekordniveau an Extremwetterereignissen, sondern auch eine Debatte um die Zukunft der Linkspartei, geführt in der Zeitschrift »Luxemburg«, aber auch im »nd« – und das vielleicht nicht auf Rekord-, aber doch auf verhältnismäßig hohem Niveau. Die Klimafrage ist einer der Angelpunkte der Diskussion, nicht nur in den luftigen Höhen der gegenwartsdiagnostischen Einbettung, sondern auch in der Verbindung zur konkreten Alltagspolitik. Letztere gilt es zu schärfen.

Der Bedarf für linke Klimapolitik ist offensichtlich. Der sich herausbildende »grüne« Kapitalismus adressiert die gerne zitierten Alltagssorgen der Menschen nur, indem er bei Widerständen vor den fossilen Beharrungskräften zurückweicht – ohne je die Widersprüche zwischen Sozialem und Ökologischem aufzulösen. Nach wie vor hangeln sich bürgerliche Klimadebatten von einem Nonsens zum nächsten: Emissionshandel als Rundum-Sorglos-Lösung, massenhafte CO2-Verklappung, Wasserstoffheizungen, E-Fuels.

Auch in der Klimabewegung macht sich strategische Ratlosigkeit breit. Der anstehende Klimastreik von Fridays for Future ist eines von vielen Sinnbildern: Für das Halbjahresevent wird mit der Forderung nach Rettung der bislang durch die Ampel ohnehin ignorierten Sektorziele im Klimaschutzgesetz versucht, über einen maximal abstrakten Zugang zur Thematik zu mobilisieren.

Lasse Thiele

Lasse Thiele arbeitet im Konzeptwerk Neue Ökonomie am Thema Klimagerechtigkeit.

Linke Klimapolitik mit Verankerung im Lebensalltag könnte sich dagegen auf greifbare soziale Infrastrukturen konzentrieren. Ob in der Wohnungspolitik, im Verkehr, im Energie- oder Gesundheitssektor: Mit dem Fokus auf soziale Grundbedürfnisse, auf Deprivatisierung und kollektiven Konsum lässt sich eine »No Nonsense«-Klimapolitik verbinden, die sich klar von liberalen und konservativen Scheinlösungen abhebt. Das ist nicht nur klimapolitisch, sondern auch sozialpolitisch zielführender als die individualistische Besitzstandswahrung des Linkskonservatismus, der im bisherigen Parteikonstrukt die Kernkompetenz in der Sozialpolitik aggressiv für sich reklamiert.

Soziale Infrastrukturen können zu den Punkten werden, an denen sich Parteipolitik mit den Kämpfen von Mieter*innen-, Klima- und anderen sozialen Bewegungen ergänzt. Das bricht die gesellschaftlichen Verdrängungsmechanismen zwar nicht über Nacht auf, doch zumindest könnten so die Konturen einer klimarealistischen Agenda entstehen, die in Zukunft ein gutes Auskommen für alle ermöglicht.

Arbeitspolitisch tut sich eine weitere – auch klimarelevante – Leerstelle auf, wenn die Ampel das Feld weitgehend ignoriert und die CDU als rechte Opposition den Dauerbrenner »Fachkräftemangel – alle länger arbeiten!« recycelt, während vor allem Jüngere auf kürzere Arbeitszeiten Wert legen. Diese Leerstelle von links mit einer Programmatik der Erwerbsarbeitszeitverkürzung zu besetzen, könnte auch in Transformationskonflikten rund um fossile Industrien das Problem der dort drohenden Jobverluste reduzieren.

Ansätze sind vorhanden: Die Vier-Tage-Woche wurde Anfang des Jahres von der Parteispitze zumindest kurzzeitig medial platziert. Im Juli schlug die Linke ein weitestgehend unbemerktes Sanierungsprogramm für Schwimmbäder vor. Bezeichnenderweise werden Schwimmbäder aktuell nicht als durch Mittelkürzungen und Personalmangel bedrohte öffentliche Infrastrukturen diskutiert, sondern als vermeintliche Orte ständiger Schlägereien rassistisch aufgeladen – vor allem durch diejenigen, die auch bei zugespitztem Wassermangel ohnehin ihren Pool bevorzugen. Klima- und sozialpolitisch lässt sich hier von links klar Stellung beziehen.

Nur kann eine gespaltene Partei solche Inhalte umso schwerer transportieren. Doch in Zukunft ließe sich darauf aufbauen – nicht unbedingt direkt für Mehrheiten, aber für breite Anziehungskraft. Und für eine nicht mehr ganz so widersprüchliche Identität als linke Partei auf der Höhe der Zeit.

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