So gut waren Sonic Youth

Wenn die Liebe endet: Das letzte Konzert in New York

  • Benjamin Moldenhauer
  • Lesedauer: 3 Min.

Im August 2011 spielte die Band Sonic Youth ihr in gewisser Weise letztes Konzert, in der Williamsburg Waterfront in Brooklyn, mit Blick auf das Panorama New Yorks in der untergehenden Sonne. Dass es ein Abschiedskonzert gewesen sein würde, war allen Beteiligten klar. Zwei Monate nach dem Konzert machten Kim Gordon und Thurston Moore ihre Trennung öffentlich, und damit waren auch Sonic Youth als Band am Ende. Es folgte noch ein nominell letztes Konzert in São Paulo, aber der eigentliche Abschied von der Bühne fand in New York statt, der Stadt mit deren Underground und Musikszene Sonic Youth von Beginn an untrennbar verbunden war.

Der jetzt veröffentlichte Mitschnitt zeigt noch einmal sehr schön und beeindruckend, wie hier Musiker*innen mit Avantgarde-Techniken (passgenau verstimmte Gitarren, Krach, Impro-Freakouts) Punk und Indie infizierten, und das stilbildend und ausdauernd. Schön auch, wie hier noch die unbändige Bühnenenergie dieser Band dokumentiert und spürbar ist.

Vielleicht deswegen, weil der Abend eine Art letztes Konzert sein sollte, stehen hier vor allem ältere und kanonische, aber in den Jahren zuvor nur noch selten oder gar nicht gespielte Songs auf der Setlist. Darunter einer der ersten, das dreckige »Kill Yr Idols«, und viel von den Alben, auf denen Thurston Moores und Lee Ranaldos Gitarren zum ersten Mal in dem Sound zusammenfanden, von dem aus sich alles Weitere entfalten würde, »Bad Moon Rising« (1985) und »Evol« (1986). Dissonante Läufe, die sich ineinander drehen, und eine eigene, spröde Melodiösität entwickeln, um sich dann immer wieder in einem Meer aus Lärm aufzulösen. Auf dem Brooklyn-Konzert kann man das sehr gut an »I Love Her All the Time«, nachvollziehen. Getragen geht es los, dann wird das Stück ekstatisch und fällt in sich zusammen, bis nur noch Feedback bleibt. Die drei Stücke vom letzten Album »The Eternal«, die Sonic Youth an diesem Abend gespielt haben (»Sacred Trickster«, »Calming the Snake« und »What We Know«) schmieren da im Vergleich eher ab. Vom kommerziell erfolgreichsten Album »Dirty« (1992) finden sich nur zwei Songs auf der Setlist, »Drunken Butterfly« und »Sugar Kane«.

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Die kaputtgegangene 27 Jahre dauernde Ehe von Gordon und Moore schwingt beim Hören seltsam mit. Anrührend, aber auch bedrückend, wie hier zwei, die sich nach allem, was man in Kim Gordons Autobiografie lesen kann, nicht im Guten getrennt haben, zusammen ein Stück wie »Kotton Krown« singen, vom in meinen Ohren besten Sonic-Youth-Album »Sister« (1987): »Love has come to stay, in all the way / It’s gonna stay forever and every day / It feels like a wish coming true / It feels like an angel dreaming of you«. Wirkt gelesen kitschig, aber die bewusst gesetzte Sperrigkeit ist auch hier die Rettung. Der Text beschwört Verliebtenglück, die Musik weiß, dass es alles so einfach nicht werden wird. Obwohl, der Gesang weiß es eigentlich auch: »Feels like heaven, forgiving and getting / Feels like we’re fading and celebrating«.

Das letzte Stück des Konzerts, »Inhuman«, geht dann ganz zurück an den Anfang, eins der ersten, die Sonic Youth in die Welt gesetzt haben, wird hier zu einem zehnminütigen Noisefest. Am Ende dann finales Gitarrenrauschen, auseinanderfallende Musik. Ein standesgemäßes Ende.

Sonic Youth: »Live in Brooklyn 2011« (Silver Kurrent)

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