Enteignung: Initiative will über Gesetzesentwurf abstimmen lassen

Enteignungsinitiative will mit neuem Volksentscheid über konkreten Gesetzesentwurf abstimmen lassen

Die Initiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen« plant einen zweiten Volksentscheid. Diesmal soll allerdings kein sogenannter Beschlussvolksentscheid durchgeführt werden, mit dem dem Senat nur empfohlen wird, ein Gesetz einzubringen, sondern eine eigenes Gesetz zur Abstimmung gestellt werden. Die Pläne will die Initiative am Dienstag bei einer Pressekonferenz zum zweijährigen Jubiläum des letzten Volksentscheids vorstellen. Das berichtete am Mittwoch der »Tagesspiegel«. Die Initiative selbst wollte das Vorhaben weder bestätigen noch dementieren, Einzelpersonen, die mit den Planungen vertraut sind, bestätigten das Vorhaben allerdings gegenüber »nd«.

Als nächster Schritt soll eine Anwaltskanzlei an der Ausarbeitung beteiligt werden, wie es aus Kreisen der Aktivisten heißt. In der Initiative wird davon ausgegangen, dass die für den Erfolg der Volksinitiative nötigen 20 000 Unterschriften innerhalb kurzer Zeit erreicht werden.

Möglich ist danach, dass die Senatsinnenverwaltung unter Senatorin Iris Spranger (SPD), die für Wahlen und Volksentscheide zuständig ist, eine Prüfung vor dem Landesverfassungsgericht anstrebt. Dies könnte nach Erfahrungen aus vorherigen Verfahren die Abstimmung um etwa ein Jahr verzögern. Als realistisch betrachten Einzelpersonen aus der Initiative daher, dass es parallel zur Abgeordnetenhauswahl 2026 zum Volksentscheid kommen könnte. Sollte die Innenverwaltung auf eine Prüfung durch das Gericht verzichten oder das Landesverfassungsgericht schneller entscheiden, wäre auch eine Abstimmung parallel zur Bundestagswahl 2025 möglich.

Trotz der politischen Kräfteverschiebung ist man innerhalb der Initiative optimistisch, dass der Abstimmungserfolg von 2021 wiederholt werden könnte. Damals stimmten beim Volksentscheid, der parallel zur Abgeordnetenhauswahl und der Bundestagswahl durchgeführt wurde, mehr als 59 Prozent der Wähler für die Enteignung. Man gehe demnach davon aus, dass die Initiative überparteilich Wähler überzeugen könnte. Zudem könne die Initiative darauf verweisen, dass das Wohnungsbündnis zwischen Senat und Wohnungsunternehmen, das die Enteignungsinitiative überflüssig machen sollte, weitestgehend gescheitert ist. Aktuell seien mehrere hundert Aktive in der Kampagne, man rechne damit, dass sich diese Zahl im Verlauf der Unterschriftensammlung deutlich erhöhen dürfte.

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Inhaltlich will die Initiative am Abstimmungstext von 2021 festhalten. Demnach soll weiterhin angestrebt werden, Immobilienunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen in Berlin zu vergesellschaften und ihre Wohnungsbestände in eine neu zu schaffende Körperschaft öffentlichen Rechts zu übertragen. Innerhalb dieser Körperschaft sollen den Mietern starke Mitbestimmungsrechte eingeräumt werden.

Mit dem Plan für einen neuen Volksentscheid reagiert die Initiative auf politische Schritte, die sie als Verschleppung des ursprünglichen Volksentscheids empfindet. Der schwarz-rote Senat hatte im Koalitionsvertrag festgehalten, dass zunächst ein sogenanntes Rahmengesetz für Enteignungen entworfen werden soll. Damit sollen die Eckpfeiler für mögliche Enteignungen festgehalten werden. Dieses Rahmengesetz soll dann dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden, bevor es zu konkreten Enteignungen kommt, für die ein weiteres Anwendungsgesetz ausgearbeitet werden soll.

Eine Expertenkommission, die verfassungsrechtliche Bedenken zur Enteignungsinitiative debattieren sollte, war in ihrem Abschlussbericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Enteignungen mit Bundes- und Landesverfassung vereinbar seien. Zwei Kommissionsmitglieder hatten allerdings ein Minderheitenvotum abgegeben, weil sie eine Änderung der Landesverfassung für nötig hielten. Bei der Vorstellung gab es aus der Kommission heraus Kritik an den schwarz-roten Plänen: »Mir leuchtet das Vorhaben nicht ein«, sagte der Rechtswissenschaftler Florian Rödl im August im Stadtentwicklungsausschuss des Abgeordnetenhauses. Ein Rahmengesetz sei unnötig, da ein Anwendungsgesetz ohnehin verfassungsrechtlich geprüft werden müsste. Finanzsenator Stefan Evers (CDU) hat Enteignungen im Wohnungsbestand bereits ausgeschlossen.

»Es ist verständlich, wenn die Initiative über diesen Schritt nachdenkt«, sagt Niklas Schenker, wohnungspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, zu »nd«. »Der Senat aus CDU und SPD verweigert die Umsetzung der Vergesellschaftung und ignoriert damit die Stimmen von mehr als einer Million Berlinerinnen und Berlinern, die 2021 für den Volksentscheid gestimmt haben.« Der Abschlussbericht der Expertenkommission habe den Weg für rechtssichere Vergesellschaftungen freigeräumt.

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