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Burgen der Utopie bauen

Die Klimabewegung hat zuletzt kaum mit Erfolgen von sich reden gemacht, schreibt Lakshmi Thevasagayam

  • Lakshmi Thevasagayam
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Kampf im Dannenröder Forst ist verloren, Lützerath geräumt: Zuletzt hatte die jüngere Klimabewegung in Deutschland kaum Erfolg mit der Besetzung von Kohlegruben, Wäldern und Dörfern. Diese unnahbaren Orte mit einem Hang zur herbeigesehnten Utopie in der Baumhauskrone und im selbstverwalteten Hütten- oder Zeltdorf. Ich würde mich selbst anlügen, wenn ich sagte, dass mir diese Orte nicht fehlen. Dass ich dort das gespürt habe, was es heißen kann, sich kollektiv zu organisieren und jeden Tag so zu leben.

Ich denke an meine erste Besetzung zurück, die ich miterlebt habe: im Hambacher Forst. Das angrenzende Waldstück wurde durch immer spektakulärere Massendemonstrationen der vielen Aktivist*innen vor den anrückenenden Rodungsmaschinen gerettet. Selbst die brutalen – mittlerweile nachgewiesen illegalen – Räumungsaktionen der Polizei konnten das nicht verhindern. Eine plötzlich aufblühende Fridays-For-Future-Bewegung sowie die vielen präsenten Nichtregierungsorganisationen sorgten für eine zusätzliche Legitimation der radikallinken Aktionsformen.

Der Aufschrei von vor allem privilegierten weißen, meist mittelalten Männern hat uns alle zu noch krasserem zivilen Ungehorsam und zu Sabotageaktionen angestachelt. Wozu das führt, haben Aktionen der Letzten Generation zuletzt gezeigt: Obwohl viele Menschen verstehen, warum die »Klimakleber« etwas tun, sagen sie gleichzeitig, dass sie diese Aktionsform nicht gut finden. Und dass der Staat sie nicht gut findet, war eh klar. Dass die Behörden jetzt bundesweit Razzien bei den Aktivist*innen durchführen, bei denen ihnen die Tür eingetreten wird, oder sie in Präventivhaft müssen – das ist neu. Das Gefährliche daran ist nämlich, dass immer breitere Teilen der Gesellschaft diese Maßnahmen in Ordnung finden. Mittlerweile wird Klimaaktivismus beinahe ausschließlich mit »Klimakleben« in Verbindung gebracht.

Lakshmi Thevasagayam
Lakshmi Thevasagayam

Lakshmi Thevasagayam ist Ärztin, Klima- und Gesundheitsaktivistin und engagiert sich in der Antikohlebewegung im Rheinland.

Das ist ein großer Rückschritt. Die gesellschaftliche Legitimation für Klimaaktivismus bröckelt immer mehr. Anstatt uns weiter als gandhihafte Moralapostel verhaften zu lassen, sind wir nun gezwungen, unsere Basis wieder aufzubauen. Eine Basis, die wahrscheinlich so orientierungslos ist und gleichzeitig eine Horror-Klimakatastrophe nach der nächsten als Push-Nachricht bekommt, dass sie droht, in den Fatalismus abzudriften. Oder noch schlimmer: zur AfD rüberzumachen. Weil die Ampel – und damit auch die Grünen – das nicht packen werden mit einer gerechten Klimapolitik.

Wir wünschen uns doch alle eine Politik, die die Kosten eben nicht auf die Menschen abwälzt, wie es beispielsweise bei dem Heizungsgesetz der Fall ist. Eine Politik, wo Klima und Soziales Hand in Hand gehen. Egal, ob sich unser Kampf gegen verflüssigtes Erdgas richtet oder für einen ausgebauten Öffentlichen Personennahverkehr mit besseren Arbeitsbedingungen – wir müssen an jede Haustür, in jeden Betrieb, jede Schule, jedes Alten- und Flüchtlingsheim, jeden Club und jede Kirche, Moschee und Synagoge. Wir müssen jetzt eine außerparlamentarische Macht aufbauen, die die Grenzen der parlamentarischen Demokratie aufdeckt.

Wir müssen das Gespräch mit Personen suchen, bei denen wir niemals dachten, dass wir zusammen kommen. Wir müssen gerade den Menschen, die am meisten unter dem vorherrschenden System leiden, unsere Lösungen für ihre Probleme präsentieren und sie für gemeinsame progressive Bewegung begeistern. Wir haben bereits beeindruckende Bilder mit tausenden Menschen in einer Kohlegrube oder in über 20 Meter hohen Baumhäusern geschaffen. Lass uns weiter diese Burgen der Utopie bauen. Aber ohne Fundament, ohne eine neue Identität, werden sie immer mehr Utopie als Realität sein.

Deshalb kämpfen Aktivist*innen um Lützerath
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