Für ein Verbot von Glyphosat & Co.

Die Reduktionsziele der EU bei Pestiziden reichen nicht aus

  • Olaf Bandt
  • Lesedauer: 3 Min.

Klima- und Biodiversitätskrise sind längst vor unserer Haustür und in unseren Vorgärten angekommen. Es bleibt nicht mehr viel Zeit zum Umsteuern. Einen Hauptanteil am Biodiversiätsverlust hat der Einsatz von Pestiziden. Eine Reduktion dieser sogenannten Pflanzenschutzmittel ist daher dringend nötig.

Umweltverbände kämpfen seit Jahren für eine Reduktion und für das Verbot von Pestiziden, die besonders gefährlich für Mensch und Umwelt sind. Ganz vorne mit dabei ist Glyphosat. Der Wirkstoff wurde von der Internationalen Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation als wahrscheinlich krebserregend beim Menschen eingestuft. Und als Totalherbizid tötet Glyphosat jede Pflanze, die nicht gentechnisch verändert wurde. So haben Insekten weniger Nahrung. Glyphosat schädigt Wildbienen, Florfliegen, Regenwürmer und Frösche, belastet Böden, Luft und Gewässer. In der EU wird über die Wiederzulassung des am meisten eingesetzten Unkrautvernichtungsmittels im Oktober entschieden. Die Ampel hatte sich im Koalitionsvertrag geeinigt, Glyphosat Ende 2023 vom Markt zu nehmen. Nur Koalitionär FDP ist dagegen. Glyphosat sei bei sachgemäßer Anwendung sicher und sogar gut für Klimaschutz, Biodiversität und Humusaufbau. Man reibt sich die Augen angesichts solcher Naturschutzambitionen.

Mehr als 3300 Wissenschaftler aus Europa rufen in einem offenen Brief an die Politik dazu auf, den Pestizideinsatz deutlich zu minimieren. Sie sind besorgt über den Zusammenhang von Pestizidanwendung und dem Rückgang von Insekten und Vögeln sowie über die negativen Auswirkungen auf die globale Gesundheit. Ähnliche Sorgen haben über eine Million europäische Bürger dazu gebracht, in der erfolgreichen Bürgerinitiative »Save Bees and Farmers« ebenfalls Pestizidreduktion, Insektenschutz und die Unterstützung von Bäuerinnen und Bauern einzufordern.

Das Sterben der Insekten ist letztlich unser Sterben. Weniger Insekten heißt weniger Bestäubung unserer Kulturpflanzen. Aber auch weniger Vögel, Fledermäuse und Fische, denn diese brauchen Insekten als Nahrung. Deshalb hat die EU-Kommission im Green Deal und der Farm-to-Fork-Strategie vorgegeben, bis 2030 die Menge und das Risiko von Pestiziden zu halbieren. Doch selbst dieses Ziel ist noch zu wenig ambitioniert. Ein schrittweiser Ausstieg aus der Nutzung chemisch-synthetischer Pestizide wäre notwendig. Die Kosten für den Einsatz tragen wir alle. Die Wasserwerke müssen all diese Rückstände aus unserem Trinkwasser herausfiltern, das Gesundheitssystem für Erkrankungen aufkommen. In Europa sind die von Pestiziden verursachten externen Kosten mit über zwei Milliarden Euro rund doppelt so hoch wie die Nettogewinne der chemischen Industrie. Die Einführung des Verursacherprinzips wäre ein Lösungsansatz. Eine in Dänemark erfolgreiche Pestizid-Abgabe könnte auch bei uns eingeführt werden. Mit dem so erwirtschafteten Geld könnten Bäuerinnen und Bauern beim Einsatz alternativer Methoden unterstützt werden.

Die FDP blockiert auch beim Exportverbot gefährlicher Pestizide, obwohl genau dieses Vorhaben im Koalitionsvertrag steht. Ein entsprechendes Gesetz wurde vom Landwirtschaftsministerium exakt vor einem Jahr angekündigt. Viele Wirkstoffe sind in der EU bereits verboten, weil sie zu gefährlich für Mensch und Umwelt sind. Pestizidkonzerne wie Bayer und BASF dürfen solche Stoffe aber weiterhin herstellen und in Länder des globalen Südens verkaufen. Egal, ob Pestizide woanders die Arbeiterinnen und Anwohner krankmachen und Ökosysteme schädigen. Hauptsache, Gewinne und Renditen sind nicht in Gefahr. Und das schönste Brummen kommt ja aus der Wirtschaft.

Bleibt die Hoffnung auf die Vernunft und darauf, dass Politiker*innen die Risiken von Glyphosat ernst nehmen. Dann dürfte Mitte Oktober zur Abstimmung keine qualifizierte Mehrheit zustande kommen. Auf der am Montag startenden Weltchemikalienkonferenz in Bonn setzt sich die NGO-Gemeinschaft für ein schnelles globales Verbot von hochgefährlichen Pestiziden ein.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal