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Austria gegen RB Salzburg: Fußball-Duell mit dem »Totengräber«

Die von Fans neu gegründete Austria und RB Salzburg treffen erstmals seit der Spaltung direkt aufeinander

  • Dieter Reinisch, Grödig
  • Lesedauer: 5 Min.
Ein Klub von Fans für Fans. Drittligist Austria Salzburg kann immer auf die Unterstützung seiner Anhänger vertrauen.
Ein Klub von Fans für Fans. Drittligist Austria Salzburg kann immer auf die Unterstützung seiner Anhänger vertrauen.

Wenn sich für ein Heimspiel eines österreichischen Drittligisten mehr als 50 nationale und internationale Journalisten akkreditieren, das Stadion seit Wochen ausverkauft ist und der öffentlich-rechtliche Rundfunk zur besten Sendezeit auf ORF1 zur üblichen Champions-League-Zeit um 20.45 Uhr das Spiel live überträgt, dann muss etwas Besonderes im Gang sein. Tatsächlich steht eine sehr spezielle Partie an: An diesem Dienstag trifft der SV Austria Salzburg in der zweiten Runde des österreichischen Fußballcups auf Red Bull Salzburg (RBS). »Man kann das nicht vergleichen mit anderen Spielen«, erzählt Alexander Salvatore, den die Fans Salva nennen, im nd-Gespräch. Salva ist der Vorsänger der Curva Viola und Gründungsmitglied der Union ’99 Ultrà Salzburg (UU99), des größten Fanklubs des Vereins. Es sei eine »ganz verrückte Situation«, denn »wir spielen gegen unseren eigenen Totengräber«.

Der SV Austria Salzburg wurde 1933 aus der Fusion von Rapid und Hertha gegründet. 1994 erreichte der Verein durch Siege gegen Sporting Lissabon, Eintracht Frankfurt und den Karlsruher SC das Endspiel des Uefa-Cups gegen Inter Mailand. Zuvor trug auch mal der junge Oliver Bierhoff für eine Saison das violette Trikot. Dreimal wurde Austria in den 90er Jahren österreichischer Meister, doch spätestens als Thomas Häßler 2004 in Salzburg seine Karriere beendete, war der Klub hoch verschuldet. Das nutzte der Getränkegroßkonzern Red Bull und kaufte den Verein. Von Beginn an diente er einzig als Marketingplattform: Aus den Vereinsfarben violett-weiß wurde rot-blau, Vereinswappen, Name und Gründungsjahr wurden geändert.

Proteste der Fans halfen nicht. »Uns wurde gesagt, wenn wir einen Verein in violett haben wollen, dann sollen wir doch einen eigenen Gründen«, erinnert sich Roland Karner, ein führendes UU99-Mitglied gegenüber »nd«. »Das haben wir dann gemacht.« In Anlehnung an das Gründungsjahr ihres angestammten Klubs verließen die Fans am 18. September 2005 genau in der 33. Minute ihre Stadionkurve. Am 7. Oktober sicherte sich Moritz Grobovschek dann die Namensrechte. Und in der folgenden Saison begann Austria Salzburg in der achten und letzten Spielkasse ganz von Neuem.

Der Wiederaufstieg war holprig, aber erfolgreich. Der österreichische Nationalspieler und heutige Bundesligastürmer in Mainz, Karim Onisiwo, schaffte bei Austria 2014 seinen Durchbruch. Eine kurzzeitige Rückkehr in den Profifußball endete 2015 aber erneut fast in der Pleite. Spendenaufrufe und ein Benefizspiel im Januar 2016 bei Union Berlin retteten das Überleben. Zum 90. Geburtstag von Austria ist der Verein nun wieder schuldenfrei und trifft nach 18 Jahren ausgerechnet in diesem Jubiläumsjahr als Drittligist erstmals auf den Serienmeister RBS.

Nicht alle Fans sehen darin ein hitziges Derby. Für Grobovschek ist RBS nicht der Erzrivale, denn dafür bräuchte es eine Geschichte: »Sie sind der Klassenfeind um die Ecke.« Für ein »Hassderby« fehlten ohnehin entsprechend engagierte Anhänger auf der anderen Seite. »Ich kann nur Hass aufbauen, wenn ich den Gegner ernst nehme, und den Anhang von ihnen kann ich nicht ernst nehmen«, ergänzt er. »Rapid Wien und Sturm Graz sind unsere Rivalen. Sie teilen dieselben Werte wie wir, nur in anderen Farben«, erklärt auch Vorsänger Salva. Für RBS fehle dagegen der Grundrespekt: »Es geht dort nur um Marketing.«

Also versucht er, sich auf Positives zu konzentrieren. »Wir werden eine Traumstimmung in das Stadion zaubern«, verspricht Salva. Fast 5000 Karten sind verkauft, mehr Platz bietet das Ausweichstadion in Grödig nicht. Zuhause im kleinen Maxglan hätte die Partie gar nicht stattfinden können, da es für solche Spiele nicht tauglich ist. Für eine größere Heimat fehle der politische Wille, erklärt Austrias Vorstand und Fanbeauftragter Stefan Schubert »nd«. Denn um zu wachsen, braucht es Infrastruktur. Obwohl der bayerische Baumeister Max Aicher ein Stadion bauen will, weigert sich die in der Stadt regierende konservative ÖVP, dafür ein Grundstück zu genehmigen. Das Spiel am Dienstag soll daher auch genutzt werden, um Druck für eine Stadionlösung aufzubauen und das »Narrativ für die nächsten Jahre zu prägen«, so Schubert.

Sportlich sind die Erwartungen gedämpft. Wenig überraschend: Während der aktuelle Kaderwert des Teilnehmers an der Champions League rund 210 Millionen Euro beträgt, wird bei keinem einzigen Austria-Spieler auf transfermarkt.at überhaupt ein Wert ausgewiesen. Dennoch hofft Grobovschek auf ein Wunder, um erstmals einen Bundesligisten aus dem Cup zu werfen. Salva hat dagegen keine Sieghoffnungen: »Sollten wir einige Tore bekommen, dann werden wir halt umso lauter singen.« Er verspricht: RBS habe noch nie so positive Stimmung gegen sich erlebt, wie es in Grödig der Fall sein werde. Der Verein solle sich auf den Rängen und dem Feld so gut repräsentieren, wie es gehe, fordert Vorstand Schubert: »Ich möchte, dass die Mannschaft 90 Minuten kämpft, egal wie der Spielstand ist.« Das Ergebnis sei zweitrangig. »Wir haben schon gewonnen: Unsere Existenz ist bereits der Sieg«, so Schubert.

Dass RBS nicht unschlagbar ist, zeigte sich am Wochenende. Gegen den bisher kaum in der Bundesliga konkurrenzfähigen Aufsteiger Blau-Weiß Linz setzte es zuhause eine überraschende Niederlage. Auf das Feld führte die Linzer ausgerechnet Fabio Strauss als Kapitän. Der 29-jährige schaffte seinen sportlichen Durchbruch bei den Violetten, wo er noch bis 2014 spielte.

Anders ist die Situation bei der Austria: Im Spitzenspiel der Regionalliga West konnte sie einen Punkt aus Hohenems entführen und ist weiterhin ungeschlagener Tabellenführer.

Der Autor schreibt für »nd« und andere Tageszeitungen über Irland und Österreich und ist seit 1996 Mitglied des SV Austria Salzburg.

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