Mali-Einsatz: Kein einziges Problem gelöst

Die Bundeswehr zieht sich aus Mali zurück, doch Jörg Kronauer bezweifelt, dass mit dem Abzug alles so glatt geht wie behauptet.

  • Jörg Kronauer
  • Lesedauer: 3 Min.

Alles im Zeitplan: Das ist es, was man in den vergangenen Tagen zuweilen von der Bundeswehr aus Mali zu hören bekam. Die Truppe ist intensiv mit ihrem Abzug aus dem Land befasst; bis Ende des Jahres muss er abgeschlossen sein. Und als wäre das nicht bereits stressig genug: Der Putsch in Niger hat die Sache noch einmal zusätzlich verkompliziert. Denn den Lufttransportstützpunkt in Nigers Hauptstadt Niamey hatten die Militärs eigentlich fest als Umschlagplatz eingeplant. Nun müssen sie, da es mit den nigrischen Putschisten Ärger gibt, erheblich weiter entfernte Flugplätze nutzen. Trotzdem noch im Zeitplan? Nun – man wird sehen.

Denn ob mit dem Abzug alles so glatt geht, wie die Truppe es glauben machen will, ist noch längst nicht ausgemacht. Und das liegt keineswegs nur am Putsch in Niger. In Mali nehmen zur Zeit die Kämpfe zu. Das liegt daran, dass die auswärtigen Truppen – vor allem die französischen, aber auch die deutschen – in den gut zehn Jahren, in denen sie in dem Land im Einsatz waren, kein einziges Problem wirklich gelöst, sondern die Spannungen lediglich unter dem Deckel gehalten haben, und auch das mehr schlecht als recht. Nun, da der Deckel entfernt wird, treten sie wieder zutage. Dschihadisten greifen im Norden an, testen die malische Armee. Touareg-Milizen machen mobil, versuchen auszukämpfen, wer in den Stationierungsorten der abziehenden UN-Truppen das Sagen hat. Die Gewalt nimmt zu.

Und die Bundeswehr? Direkt ist sie, da sie nur noch abzieht, nicht involviert; die Kämpfe müssen sie eigentlich nicht mehr interessieren. Als aber am 8. September Dschihadisten ein Camp der malischen Armee nahe dem Flugplatz in Gao angriffen, wo sich ein deutsches Lager befindet, da pfiffen die Kugeln auch den dort stationierten Soldaten der Bundeswehr um die Ohren. Das knappe Vierteljahr, bis die letzten deutschen Truppen aus Mali abgezogen sein sollen, ist unter Umständen eine lange Zeit.

Ganz andere Fragen stellen sich zur Zeit für die deutschen Soldaten in Niger. Frankreich wird seine dort stationierten Truppen bis zum Jahresende abziehen. Die Wut auf die ehemalige Kolonialmacht, ihre politische Dominanz, die Arroganz ihrer Militärs und die Ausplünderung der Ressourcen des Landes durch französische Konzerne ist in Nigers Bevölkerung groß. Der Versuch der Junta in Niamey, die Souveränität des nigrischen Staates wiederherzustellen, richtet sich bislang besonders gegen Paris. Dass es gelungen ist, den Abzug der französischen Streitkräfte trotz der Drohung mit einer von Frankreich unterstützten Militärintervention durchzusetzen, wird in Niger weithin als großer Erfolg gefeiert. Manche nigrischen Demonstranten haben bei ihren Protesten freilich längst auch die militärische Präsenz anderer Staaten im Visier, vor allem der USA, die in Agadez eine wichtige Drohnenbasis betreiben.

Jörg Kronauer

Jörg Kronauer ist Redaktionsmitglied bei www.german.foreign-policy.com.

Und dann sind da noch die deutschen Soldaten, deren Aktivitäten in Niger auf Eis gelegt sind. Eigentlich sollten sie nach dem Abzug aus Mali zumindest eine deutsche Rumpfpräsenz im geostrategisch so wichtigen Sahel sichern. Die Vereinigten Staaten verhandeln bereits seit August mit der Junta in Niamey über ihre Drohnenbasis. Gibt es die Chance, dass die Junta sich mit den US-Operationen dort abfindet? Washington ist jedenfalls intensiv darum bemüht. Je nachdem, wie es damit weitergeht: Könnte unter Umständen auch die Bundeswehr in Niger bleiben, vielleicht gemeinsam mit Truppen aus anderen EU-Staaten, nur eben nicht aus Frankreich? Erste Medienkommentare ventilieren diese Option bereits. Denn schließlich wäre, wenn die nigrische Junta nun auch noch die verbliebenen europäischen Streitkräfte und die US-Truppen aus dem Land werfen sollte, der Westen im zentralen Sahel militärisch gar nicht mehr präsent. Das wiederum wäre ein weiterer Einflussverlust in Afrika, auch für Deutschland. Berlin würde ihn gern vermeiden.

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