Linke, rauft euch zusammen!

Die streitenden Seiten in der Linken sollten auf Grundlage eines Kernprogramms die Partei gemeinsam und solidarisch erneuern, meint Wolfgang Herzberg

  • Wolfgang Herzberg
  • Lesedauer: 3 Min.

Als parteiloser Linker aus jüdischem Elternhaus, das 1947 trotz allem nach Berlin zurückkehrte, mache ich mir große Sorgen. Darüber, dass der Zustand der Linkspartei und die drohende Spaltung antifaschistisches, sozialistisches Erbe politischer Remigranten und KZ-Überlebender erheblich schwächen, diese Lehren sogar verspielen könnte. Ich bitte deshalb alle streitenden Seiten, die dramatische Situation ernsthaft zu überdenken und den Versuch zu unternehmen, doch noch aufeinander zuzugehen und dabei Grundsatzforderungen radikal zu verschärfen.

Wolfgang Herzberg
Wolfgang Herzberg
Foto: Privat

Wolfgang Herzberg wurde 1944 in England als Sohn jüdisch-deutscher Emigranten geboren. Der Publizist lebt seit 1947 in und bei Berlin.

Bitte bedenkt: Die AfD, bisher größte rechtsradikale Gefahr der BRD, ist auf dem Vormarsch. CDU und CSU rücken nach rechts. Der Rückhalt der zerstrittenen Ampel in der Bevölkerung schwindet, weil sie, auf Nato-Kurs, u.a. immer weiter Öl ins Feuer des gefährlichsten Weltkonflikts seit 1945 in der Ukraine gießt. Die damit zusammenhängende Flüchtlingskrise können Kommunen und Ehrenamtliche nicht mehr bewältigen. Sozialsysteme sind unterfinanziert. Energie- und Umweltkrise eskalieren. Inflation führt zu dramatisch gestiegenen Lebenshaltungskosten. Kurzum: Die Spaltung zwischen Reich und Arm nimmt zu, der Widerspruch zwischen kapitalistischem Wirtschaftssystem und ökologischer Krise offenbart Politikversagen. Politische Schockstarre paralysiert große Teile der Bevölkerung.

Jetzt wäre eine solidarische, bissige Linke von größter Bedeutung. Fragmentierung und Entsolidarisierung sind kontraproduktiv und keine gute Idee. Stattdessen sollte sich die solidarische Erneuerung der Linkspartei wieder von der Marx’schen Vision leiten lassen, weil sie auf die Überwindung der Klassenschranken zielt – der Vision von einer Gesellschaft, »worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist«.

Von diesem Grundsatz lassen sich alle linken Forderungen ableiten und durchsetzen, wenn Linke sich immer wieder über aktuelle Lösungswege einigen, nicht spalten oder spalten lassen. Ich bitte deshalb alle streitenden Seiten, an einem Runden Tisch auf Grundlage folgender Kernpunkte aufeinander zuzugehen, um wieder an einem Strang zu ziehen und, trotz berechtigter Vielstimmigkeit, um linke Deutungshoheit in der Öffentlichkeit gemeinsam zu ringen:

- Umgehender Stopp von Waffenlieferungen und militärische Abrüstung: alternativloser Waffenstillstand und politische Verhandlungslösung im Ukraine-Konflikt; Rückkehr zu friedlicher Koexistenzpolitik gemeinsamer Sicherheit und Zusammenarbeit, zur maximalen Finanzierung sozialer und ökologischer Krisenbewältigung, um das Recht auf menschenwürdiges Leben eines jeden zu sichern;

- Auf dieser Basis Rückführung ukrainischer Flüchtlinge; wirtschaftliche und finanzielle Prävention zur Überwindung von Fluchtursachen in ex-kolonialen Herkunfts- und Transitländern; Regelung von Arbeitskräftezuwanderung bei Bedarf; Bewahrung des politischen Asyls;

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- Zurückdrängung sozialer Spaltung durch ausgleichender Tarifpolitik zwischen hohen und niedrigen Einkommensgruppen; kostenlose Qualifizierungsangebote für Arbeitslose und prekär Beschäftigte; Ausbau qualifizierter Mitbestimmung bei Grundsatzentscheidungen in Betrieben;

- Progressive Steuerpolitik, die mehr solidarische Abgaben von hohen Privatvermögen, aufgrund der Sozialverpflichtung von Eigentum, verlangt, Steuerflucht verhindert, Staatsverschuldung abbaut, zugunsten von Sozialsystemen und ökologischem Umbau;

Die nationale und globale Gesellschaftskrise mit Kriegsschauplätzen und Spaltungstendenzen, auch in der Linkspartei, erinnern mich an Vorgeschichten beider Weltkriege. Dies lässt mich, auch aufgrund meiner eignen Familiengeschichte, zutiefst schaudern. Linkskräfte dürfen nicht erneut versagen! Deshalb einigt euch!

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