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Bundesweiter Reparaturbonus: Noch dicke Löcher zu bohren

Der Runde Tisch Reparatur übergibt eine Petition mit über 70 000 Unterschriften an Bundesumweltministerin Steffi Lemke

  • Louisa Theresa Braun
  • Lesedauer: 4 Min.
Julius Neu von Inkota (links vorne) übergibt Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) die Petition für einen bundesweiten Reparaturbonus mit 71 277 Unterschriften.
Julius Neu von Inkota (links vorne) übergibt Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) die Petition für einen bundesweiten Reparaturbonus mit 71 277 Unterschriften.

»Lang lebe der Laptop!«, steht auf einem der Schilder, die rund 20 Personen im Bundesumweltministerium in Berlin in die Höhe halten. Die meisten von ihnen tragen gelbe Pullis mit der Aufschrift »Inkota«. Zwei halten einen überdimensionalen Schraubenzieher und eine riesige Zange aus Pappe in die Höhe. Das Netzwerk Inkota beschäftigt sich mit dem Rohstoffabbau im globalen Süden und fordert zusammen mit dem Runden Tisch Reparatur, einem Bündnis von 26 Verbänden und Initiativen, einen Reparaturbonus für Elektrogeräte von der Bundesregierung.

Denn kaputte Geräte zu reparieren statt wegzuwerfen und neu zu kaufen, bedeutet weniger Ressourcenverbrauch, weniger Rohstoffausbeutung und weniger Treibhausgasemissionen. »Wenn die Lebenszeit aller Laptops um ein Jahr verlängert würde, würden wir so viel CO2 einsparen, wie 900 000 Autos verursachen«, sagt Inkota-Referent Julius Neu.

71 277 Personen haben in den vergangenen drei Monaten eine Petition des Runden Tisches für einen bundesweiten Reparaturbonus nach österreichischem Vorbild unterschrieben. Im Nachbarland übernimmt der Staat 50 Prozent der Kosten für Reparaturen von elektronischen Geräten bis maximal 200 Euro. In Thüringen gibt es einen ähnlichen Bonus von bis zu 100 Euro je Reparatur. Zudem fordert die Petition von Umwelt-, Finanz- und Justizministerium die Umsetzung des Anfang 2022 angekündigten Förderprogramms »Reparieren statt Wegwerfen« sowie den Einsatz auf EU-Ebene für ein herstellerunabhängiges Recht auf Reparatur, das Zugang zu Ersatzteilen und reparaturfreundliches Design von Geräten regelt.

Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) nimmt die Petition, symbolisiert durch einen Werkzeugkasten mit der Aufschrift »71 277«, persönlich entgegen. Sie bedankt sich bei den Initiator*innen dafür, »dass Sie das Thema an die Öffentlichkeit bringen«. Zwei Forderungen unterstütze sie, doch eine – die Hauptforderung – halte sie nicht für umsetzbar. Zwar habe sie große Sympathien für einen Reparaturbonus, doch das würde »eine Milliardensumme kosten. Ein dickes Loch, das wir im Haushalt nicht gebohrt bekommen«, bedauert Lemke.

Ministeriumssprecher Christopher Stolzenberg teilte »nd« im Juli mit, dass ein Reparaturbonus zwei Milliarden Euro kosten würde, das entspreche fast dem gesamten Ministeriumshaushalt. Vorgesehen seien für Reparaturmaßnahmen im kommenden Bundeshaushaushalt 2024 gerade einmal fünf Millionen Euro. Wie man auf den Milliardenbetrag komme, verstehe er nicht, sagt Julius Neu zu »nd«. Er habe die Ausgaben für den Österreicher Reparaturbonus pro Person auf die Einwohnerzahl Deutschlands umgerechnet und komme auf 201 Millionen Euro, mit den Zahlen aus Thüringen auf 26 Millionen. Immer noch viel Geld, gibt Neu zu, weshalb er vorschlage, die Gerätehersteller ebenfalls zur Kasse zu bitten.

Zum Aktionsprogramm »Reparieren statt wegwerfen« sagt Lemke, die Förderung von Reparaturinfrastruktur wie Repair-Cafés solle am 1. Januar starten. Bezüglich des Rechts auf Reparatur verweist sie auf die Unterstützung Deutschlands der Ökodesign-Richtlinie der Europäischen Union. »Bislang sind die Regelungen aber sehr schwach«, entgegnet Katrin Meyer vom Runden Tisch Reparatur. Ersatzteile seien immer noch viel zu teuer, das Verhältnis zum Neukauf sei »absurd«. Lemke stimmt zu, doch die Preise könne sie staatlich nicht vorschreiben.

Sie hoffe, dass »wir weiter gemeinsam an dem Thema bohren und uns irgendwo in der Mitte treffen«, so die Ministerin. »Wir brauchen die Unterstützung der Zivilgesellschaft.« Julius Neu ist zufrieden mit dem Treffen. Dass Lemke die Petition selbst entgegengenommen habe, zeige, dass ihr das Thema wichtig sei und dass sie die Bewegung brauche – vermutlich auch gegen Widerstände aus anderen Ministerien. »Ich denke, auf EU-Ebene haben wir mit ihr eine Verbündete«, sagt Neu zu seinen Mitstreiter*innen.

Katrin Meyer ist davon weniger überzeugt. »Wir brauchen nicht nur ehrenamtliche Strukturen«, sagt sie mit Blick auf die Förderung von Repair-Cafés, »sondern auch gewerbliche Angebote und Gesetze wie das herstellerunabhängige Recht auf Reparatur«. Neben den hohen Preisen für Ersatzteile kritisiert sie auch Softwareblockaden, mit denen Hersteller elektronischer Geräte deren Reparaturmöglichkeit einschränken. Zwar gebe es in der EU immer wieder gute Vorstöße, aber eben noch nicht genug.

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