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Bayerns Innenministerium zahlt für »Extremismusprävention« auf X

Elon Musk erwog angeblich Abschaltung der Plattform in der EU

Mit dem Geld für die Online-Plattform X will Bayerns Innenministerium auch diesen Code zu entschlüsseln helfen.
Mit dem Geld für die Online-Plattform X will Bayerns Innenministerium auch diesen Code zu entschlüsseln helfen.

Das bayerische Innenministerium hat 2000 Euro für eine fragwürdige Anzeige bei der Social-Media-Plattform X ausgegeben. Das bestätigt eine Sprecherin auf Anfrage des »nd«. Das bezahlte Posting vom 9.Oktober dieses Jahres beginnt mit dem Satz: »Extremisten nutzen Zahlen- oder Buchstabencodes« und verweist auf eine Webseite des Ministeriums. Dort finden sich Informationen über »Rechtsextremismus, Linksextremismus, verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit, Reichsbürger und Selbstverwalter«. Die Sammlung wurde von der Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus erstellt – sie gehört zur Staatsregierung und soll helfen, die beschriebenen Phänomene online und offline einzudämmen.

Der Kurznachrichtendienst X hieß ursprünglich Twitter. Vor einem Jahr hatte der US-Milliardär Elon Musk den 13 Jahre alten Dienst für 44 Milliarden Euro gekauft und schließlich umbenannt, rund die Hälfte der Belegschaft wurde entlassen. Musk hat anschließend mit verschiedenen Maßnahmen dafür gesorgt, dass Postings rechter, rassistischer und antisemitischer Nutzer prominenter angezeigt werden.

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Der teils fragwürdigen Klientel auf X ist sich das Ministerium bewusst: »Die aktuellen Entwicklungen auf der Plattform X, die dazu führen, dass dort verstärkt Hassrede und Desinformation Verbreitung finden können, zeigen, wie wichtig es ist, genau dort ein Gegengewicht zu setzen«, erfuhr das »nd«.

Die Anzeige aus Bayern wurde aus Haushaltsmitteln zur »Extremismusprävention« finanziert. Es sei wichtig, sachliche Informationen und Hilfestellungen »dort anzubieten, wo sie möglichst viele Menschen erreichen«, begründet die Sprecherin die Kampagne, die noch bis Mitte November laufen soll. Durch »Werbeschaltungen« könnten auf X »um ein Vielfaches mehr« Bürger erreicht werden als mit Postings ohne Werbebudget. Laut dem Zähler auf X ist das Posting zur »Extremismusprävention« über 500 000 Mal gesehen worden, Bayerns Innenministerium zählt hingegen 770 000 solcher »Impressionen«.

Selbst sieht sich das bayerische Innenministerium als »verlässliche und seriöse Informationsquelle«, dies werde den Nutzern mit einem »grauen Haken« angezeigt. Den können Regierungsstellen, Ministerien oder Behörden bei X beantragen. Bislang ist dieser Dienst nicht mit Extrakosten verbunden, jedoch hatte Musk die Abo-Regelungen nach seiner Übernahme von Twitter mehrmals geändert und damit für Verwirrung gesorgt.

Dass Bayern Geld für »Extremismusprävention« ausgerechnet an den Kurznachrichtendienst von Musk bezahlt, sorgt im Netz für Häme. Der äußerte sich auf seiner Plattform selbst immer wieder rassistisch oder empfahl antisemitische Nutzer. Ihm wird auch vorgeworfen, Fake News zu fördern und sogar selbst zu verbreiten. Zuletzt hatte die EU-Kommission nach dem Angriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober eine Warnung und Fragen an den Firmensitz in San Francisco geschickt.

Viele Nutzer haben X inzwischen verlassen und sich Accounts bei den Twitter-Alternativen Mastodon oder Bluesky angelegt. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Werbeeinnahmen des Unternehmens um mindestens 55 Prozent gesunken.

Laut dem Internetmagazin »Business Insider« soll Elon Musk erwogen haben, seinen Kurznachrichtendienst in den 27 Mitgliedstaaten nicht mehr verfügbar zu machen. Dieser Bericht sei »völlig falsch«, schrieb Musk daraufhin am Donnerstag auf X. Auslöser der Kontroverse mit der EU war die Unzufriedenheit Musks mit der Schelte aus Brüssel und dem Digital Services Act der EU. Dieses Gesetz verpflichtet die großen Online-Plattformen, selbsttätig und schnell gegen Extremismus und Falschinformationen vorzugehen, ansonsten drohen hohe Strafen.

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