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FC Bayern: Sieg gegen Mainz und Kritik im Fall Noussair Mazraoui

Alon Meyer, Präsident von Makkabi Deutschland, nennt das Verhalten »absolut inakzeptabel«

  • Maik Rosner, München
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Fall des Noussair Mazraoui
Der Fall des Noussair Mazraoui

Mit ihrer Stellungnahme am Freitag hatten sie beim FC Bayern gehofft, den heiklen Fall Noussair Mazraoui zu beruhigen. Doch auch nach dem 3:1 (2:1)-Sieg beim 1. FSV Mainz 05 mussten die Münchner feststellen, dass die Kritik wegen ihres Umgangs mit dem israelfeindlichen Post ihres Außenverteidigers anhält – und sich sogar noch verschärft.

»Was der FC Bayern nach einem Gespräch als Erklärung abgegeben hat, den Spieler ohne jegliche Konsequenzen weiter im Verein spielen zu lassen, das ist für mich, für jeden, der unsere Gesellschaft auch nur annähernd respektiert, absolut indiskutabel und inakzeptabel«, sagte Alon Meyer am Samstagabend im ZDF-Sportstudio. Der Präsident von Makkabi Deutschland, des Dachverbandes von 40 jüdischen Vereinen mit rund 6500 Mitgliedern, bezeichnete das von Mazraoui geteilte Video nach den Massakern der Terrororganisation Hamas an israelischen Zivilisten als »absolut problematisch«. Wenn Mazraoui »einseitig Position bezieht und den Palästinensern den Sieg wünscht – den Sieg über was? –, ist das Antisemitismus.« Meyer fragte: »Wo bleibt denn noch unsere Gesellschaft, wenn wir so was bei uns akzeptieren?«

Mazraoui hatte jüngst ein Video geteilt, in dem eine Gebetsstimme sagte: »Gott, hilf unseren unterdrückten Brüdern in Palästina, damit sie den Sieg erringen.« Zu den israelischen Terroropfern der Hamas-Attacken hatte sich der Marokkaner nicht geäußert und ebenso wenig zwischen der Terrororganisation und der palästinensischen Zivilbevölkerung unterschieden. Daraufhin hatten am Mittwoch der Vorstandsvorsitzende Jan-Christian Dreesen und der Sportdirektor Christoph Freund des FC Bayern ausführlich mit Mazraoui gesprochen. Zudem hatte der Verein den Zentralrat der Juden, Nahost-Experten und Islamwissenschaftler konsultiert. Am Freitag folgte dann die offizielle Mitteilung des Vereins, in der erkennbar um jedes Wort gerungen worden war. Mazraoui habe »uns glaubwürdig versichert, dass er als friedliebender Mensch Terror und Krieg entschieden ablehnt. Er bedauert es, wenn seine Posts zu Irritationen geführt haben«, wurde Dreesen darin zitiert. »Der FC Bayern verurteilt den Angriff der Hamas auf Israel.« Weiter hieß es in der Mitteilung: »Darüber hinaus«, erklärt Noussair Mazraoui, »verurteile ich jede Art des Terrorismus und jede Terrororganisation.«

Meyer zeigte sich »zutiefst enttäuscht«, das Statement der Bayern sei »absolut inakzeptabel«. Über den Verein müsse man doch gar nicht reden, der stehe doch außer Frage. In Frage stehe vielmehr der Post und der Spieler Mazraoui, und diesem werde in der Mitteilung etwas »in den Mund gelegt«, sagte Meyer, »da ist in keinem Wort das Massaker erwähnt oder Beileid bekundet, in keinem Wort ist der Staat Israel erwähnt«, dessen Existenz teils gar nicht anerkannt werde. Weiter sagte Meyer: »In keinem Wort ist dort, und das ist das Wichtige und Entscheidende, von Entschuldigung die Rede.« Zudem werde die Hamas nicht verurteilt von Mazraoui. »Was also«, fragte Meyer, »sagt dieser Satz aus? Wer ist nicht gegen Terrorismus und Terrororganisationen? Das sind 100 Prozent der Menschen. Die Frage ist nur, ob man die Hamas als Terrororganisation einstuft.« Deshalb sage Mazraouis Satz in der Mitteilung »gar nichts für mich aus. Und das ist wirklich sehr niederschmetternd.« Juden müssten durch solche Posts »Hass und Hetze« ertragen, »das können und dürfen wir nicht zulassen.«

Der Sport tut sich generell schwer in diesen Dingen, Meyer vermisst vom FC Bayern im Fall Mazroui ein entschiedeneres Handeln: »Wenn der FC Bayern es nicht schafft, ein Zeichen zu setzen, dann ist das sehr traurig. Und dann kann er noch so viel Gutes auf der anderen Seite tun.« Durch derartige Posts, die millionenfach weiterverbreitet würden, sei »der Schaden für den FC Bayern, für die Bundesliga, für unsere Gesellschaft enorm«. Er ziehe den Hut vor der Zivilcourage des Münchner Gegners FSV Mainz im ähnlich gelagerten Fall ihres freigestellten Spielers Anwar El Ghazi. Solch ein klares Zeichen zu setzen, sei genau das, »was wir brauchen. Wir brauchen Vorbilder.« Und zwar nicht nur in den Vereinspräsidien, sondern auch unter den Sportlern. »Die erreichen unsere Kinder und Jugendlichen«, sagte Meyer.

Es ist eine Kritik, die es in sich hat. Auch deshalb rückte der Sieg am Sonnabend in Mainz durch die Treffer von Kingsley Coman (11. Minute), Harry Kane (16.) und Leon Goretzka (59.) und dem zwischenzeitlichen Gegentor von Anthony Caci (43.) in den Hintergrund. Schon bei der Schweigeminute für die Opfer des Nahost-Konflikts vor dem Anstoß der Partie stand der Sport weit zurück, als Bayerns israelischer Ersatztorwart Daniel Peretz mit den Tränen rang.

Zu Mazraoui sagte Trainer Thomas Tuchel, dieser habe »Reue« gezeigt, man dürfe nicht »pauschal verurteilen«. Er müsse Tuchel »entschieden widersprechen«, es werde keine pauschale Verurteilung vorgenommen und auch nicht gefordert, konterte Meyer. Auch wenn es sportlich am kommenden Dienstag in der Champions League mit dem Gruppenspiel bei Galatasaray Istanbul weitergeht, der Fall Mazraoui wird die Münchner mit Sicherheit weiterhin beschäftigen.

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