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Werden die Gallier woke?
Im neuen »Asterix«-Heft kämpft man gegen die Achtsamkeit
Visusversus ist der Gegenspieler von Asterix im neuen Heft »Die weiße Iris«. Er sieht ein bisschen aus wie der französische Topschwurbel-Philosoph Bernard-Henri Lévy. Oder doch wie der verstorbene Walter Jens von dem es stets hieß, er sei der einzige deutsche Rhetorikprofessor? Visusversus ist ist Cäsars neue Geheimwaffe, um das kleine unbeugsame gallische Dorf von Asterix endgültig zu besiegen. Visusversus setzt dabei auf gesunde Ernährung sowie auf etwas, das hier als »positives Denken« bezeichnet wird. Er ist Cäsars oberster Mediziner.
Gezeichnet hat ihn Didier Conrad, seit 2013 der Nachfolger von Asterix-Miterfinder Albert Uderzo. Die Texte stammen erstmals von Fabcaro, der mit diesem Heft sein Debüt als Szenarist gibt. Sein Vorgänger Jean-Yves Ferri war mit seinem Bemühen, die »Asterix«-Serie zu modernisieren, den Rechteinhabern langfristig nicht ganz geheuer. Und so ist das neue Heft auch als Kritik an Ideen zu verstehen, die konservativen Menschen nicht passen.
Zunächst kuriert Visusversus die ruinierte Moral der römischen Legionäre:»Nur ein glücklicher Legionär ist ein kampfeslustiger Legionär«. Dann geht er ins gallische Dorf und plädiert für frische regionale Produkte. Der Fischhändler beginnt sogar, seine Ware morgens zu angeln, statt die schon stinkenden Fische von weither anzubieten. Sein Todfeind, der Schmied, spürt seinen Hammerschlägen auf dem Amboss nach, als wäre es schöne Musik. Und der uralte cholerische Methusalix wird von Visusversus er mit weichem Pathos besänftigt: »Mir gefällt diese Robustheit, oh Mann, dessen wie in Marmor gehauener Körper nur überragt wird von seiner unverrückbaren Weisheit.«
Zugegeben, das ist ein bisschen nichtssagend, aber auch ein Appell für Toleranz. Auf das sonst immer zerstrittene Dorf, das sich nur einig ist im Kampf gegen die Römer, wirkt das sehr beruhigend, um nicht zu sagen: sedierend. Esoterische Wellness-Projekte halten Einzug: Der Fischhändler nennt seinen Laden »Meditative Dufttherapie«. Der Schmied bietet »Positive Schwingungen« und der Friseur verspricht »Regeneratives Flechten«. Sogar der sonst verfemte Sänger Troubadix darf ein gefeiertes Konzert geben. »Was? Selbst das tolerieren die?! Nicht zufassen!« wundert sich Asterix und Obelix beklagt sich, dass selbst die geliebten Wildscheine zahm geworden sind und nicht mehr von ihm fliehen, wenn er sie jagt.
Die Bedrohung des Dorfes von innen ist ein wiederkehrendes Thema in der Asterix-Welt. Visusversus ist ein später Wiedergänger des »Sehers«, der vor über 50 Jahren, noch in der goldenen Zeit des genialen Szenaristen René Goscinny entwickelt, das Dorf zu spalten suchte, doch er ist subtiler und geschickter, denn seine Methode ist Verwirrung durch Harmonie.
Und er erkennt die Bedürfnisse der Dörfler. So überredet er die unzufriedene Gutemine, die Frau des Häuptlings Majestix, mit ihm nach Lutetia, wie Paris damals hieß, zu verreisen, woraufhin ihr Ehemann verzweifelt: »Wir waren immer ein antikes Ehepaar mit gerechter Aufgabenverteilung: Sie hat geputzt und gekocht, während ich mit den Freunden geschmaust und gefeiert habe.«
Das ist alles sehr lustig, als Kritik am gängigen Achtsamkeitssprech. Doch oft sind die Kritiker der Wokeness schlimmer als das, was sie kritisieren wollen. Auch hier bleibt alles extrem traditionell: Gutemine kehrt zurück, die »gerechte Aufgabenverteilung« wird fortgesetzt und Visusversus als Manipulator besiegt. Zum Schluss ist Troubadix wie immer geknebelt und das Dorf feiert sich selbst. Ein Heft, wie geschaffen für die neue Partei von Sahra Wagenknecht.
»Asterix« Band 40, »Die weiße Iris«. Egmont Ehapa, 48 S., 7,90€
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