Neue US-Nuklearwaffe: Bomben für den Overkill

US-Militärs warten auf Freigabe von Mitteln für enorm kostspielige neue Atomwaffen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
B-1B Bomber der US Air Force
B-1B Bomber der US Air Force

Vor wenigen Tagen statteten zwei B-1B Bomber der US Air Force der Türkei einen Besuch ab. Sie landeten – zum ersten Mal – auf dem Luftwaffenstützpunkt İncirlik. Der Besuch findet in einer Zeit erheblicher Spannungen zwischen der Türkei und Israel statt, die auch Auswirkungen auf die Zusammenarbeit in der Nato haben. Somit erinnern die US-Bomber Ankara nachdrücklich an seine Verpflichtungen im Bündnis.

Die B-1 gehören zur 9. Expeditionary Bomb Squadron und sind normalerweise auf der Dyess Air Force Base in Texas stationiert. In Zeiten der durch den Ukraine-Krieg verschärften Lage in Europa ist auch die britische Luftwaffen-Basis in Fairford zu einer Art Heimat für das US-Atomwaffen-Geschwader geworden.

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In der Türkei übten die Bomber eine sogenannte »Hot Pit«-Landung. Das bedeutet, die Maschinen werden bei laufenden Triebwerken betankt und mit neuen Waffen beladen. Die Operation kann man angesichts des Krieges, den Israel nach dem Angriff der Hamas im Gazastreifen führt, durchaus als Warnung an andere, dem Iran zugewandte Staaten und Gruppierungen verstehen. Nach wie vor besteht die Gefahr, dass der Brand um sich greifen könnte.

Zugleich rückt das Bomber-Gastspiel die Basis İncirlik wieder in den Blickpunkt. Dort unterhalten die USA ein Atomwaffendepot. Es ist – wie Büchel in der deutschen Eifel, Kleine-Brogel in Belgien, Aviano und Ghedi Torre in Italien und Volkel in den Niederlanden – Teil der nuklearen Abschreckungsstrategie der USA.

An diesen Standorten befinden sich – zumindest dementieren das weder die USA noch die betreffenden Nato-Partner – Wasserstoff-Bomben vom Typ B-61. Die grauen 3,6 Meter langen und 350 Kilogramm schweren spitz zulaufenden Zylinder machen rund zehn Prozent des gesamten US-Nuklearpotenzials aus.

Einst wurden sie als Eckpfeiler der luftgestützten US-Atomstreitkräfte gepriesen, denn mit ihnen wollte man eine mögliche sowjetische Aggression in Westeuropa verhindern. Je nach Sprengkopf kann der jeweilige US-Präsident eine Explosion befehlen, deren Wirkung etwas unterhalb der von den USA 1945 über dem japanischen Hiroshima abgeworfenen Atombombe liegt. Möglich ist aber auch, dass die Explosion 30-mal so verheerend ist.

Bislang waren fünf B61-Versionen im Einsatz. 2012 bereits entwickelten US-Techniker die B61-12 als Teil des Programms zur – welch aberwitzige Bezeichnung – Lebenszeitverlängerung dieser Waffen. Geplant waren 400 Stück, ein Viertel davon sollte 2023 und 2024 in Europa stationiert werden. Dieser Bombentyp kann – wie bereits das Vorgängermodell – als »Bunker-Buster« mehrere Meter ins Erdreich eindringen und somit tief liegende Bunker ausschalten.

Derzeit läuft aber bereits die Weiterentwicklung dieses Bombentyps, der äußerlich identisch mit den Vorgängern, doch wesentlich »intelligenter« sein soll. Experten behaupten, eine Bombe koste mehr als ihr Gewicht in Gold. Das US-Militär teilte jüngst mit, dass man nur noch auf die Bewilligung solch gewaltiger Mittel durch den US-Kongress warte.

Laut Pentagon will man die etablierten Produktionskapazitäten nutzen, aber eine Bombe bauen, die Ziele noch präziser treffen kann. »Die B61-13 wäre mit modernen Flugzeugen einsetzbar und würde die Abschreckung von Gegnern und die Sicherheit von Verbündeten und Partnern stärken, indem sie dem Präsidenten zusätzliche Optionen gegen bestimmte härtere und großflächige militärische Ziele bietet.«

Die Neuentwicklung sei eine Reaktion auf das »sich verändernde Sicherheitsumfeld und die wachsenden Bedrohungen durch potenzielle Gegner«, sagte der stellvertretende Verteidigungsminister für Weltraumpolitik, John Plumb. Er versprach zugleich, »die Gesamtzahl der Waffen in unserem nuklearen Arsenal nicht zu erhöhen«.

Es besteht kein Zweifel daran, dass man die B61-13 für den Einsatz gegen strategische Kommando-Stützpunkte in Russland und zur Ausschaltung von Raketensilos in China bereithält. Medienberichte der vergangenen Tage enthüllten gerade Pläne der chinesischen Führung, die das nukleare Waffenarsenal bis 2030 verdoppeln will. Über 1000 nukleare Sprengköpfe stünden Peking bis dahin zur Verfügung.

Laut der renommierten Denkfabrik Federation of American Scientists sollen die neuen Bomben zunächst in den USA verbleiben, denn nicht alle Flugzeugtypen, die Nato-Verbündete für die nukleare Bewaffnung zur Verfügung stellen, seien für den Einsatz dieser neuen Bomben geeignet.

Deutschland ist gerade dabei, seinen Beitrag zur »nuklearen Abschreckung« zu erweitern. Demnächst werden die alten »Tornado«-Jagdbomber gegen neue Tarnkappen-Mehrzweckkampfflugzeuge vom Typ F-35 aus den USA ersetzt.

Die dafür notwendigen Umbauten auf dem Luftwaffenstützpunkt in Büchel werden aus dem 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr bezahlt. Um die zumeist von den USA gesetzten strengen Vorgaben zu erfüllen, konzentriert die Bundeswehr die Planungen in einer Hand und lockert gemeinsam mit den zuständigen Stellen in Rheinland-Pfalz bestehende Bauvorschriften.

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