Gaza-Krieg spült Geld in deutsche Kassen

Deutschlands Rüstungslieferungen an Israel haben sich in einem Jahr verzehnfacht

  • René Heilig
  • Lesedauer: 5 Min.

In der allabendlichen TV-Berichterstattung über den Krieg in Gaza sieht man sie, wie sie sich den Weg durch Trümmerfelder bahnen und Granaten abfeuern: Merkava-Panzer. Die israelischen Streitkräfte vertrauen auf die Fähigkeiten ihres hochmodernen »Streitwagens«. Und tatsächlich, obwohl nicht unverwundbar, ist der Tank – Stückpreis um die 3,5 Millionen Dollar – doch ein Meisterwerk der Militärtechnik.

Israel verdankt sie unter anderem einer mittelständischen Firma mit Hauptsitz in Augsburg. Renk ist ein weltweit beachteter Hersteller von Antriebstechnik, darunter die für den deutschen Leopard 2- und den französischen Leclerc-Panzer. Auch der israelische Merkava würde sich keinen Meter bewegen ohne Produkte von Renk. Die sind bestens verbunden mit einem 1500 PS starken Dieselmotor, der in den Konstruktionsbüros der deutschen MTU entwickelt wurde und über verschlungene Lizenzverträge im Merkava landet.

In punkto Feuerkraft ist Israels Kampfmaschine ebenfalls vom deutschen Ingenieursgeist abhängig. Die 120-Millimeter-Kanone entspricht der im deutschen Leopard 2. Nicht minder angewiesen ist Israel auf maritime Erzeugnisse aus Deutschland. Die U-Boote des Landes, die aller Wahrscheinlichkeit nuklear bewaffnet werden können, stammen von Thyssen-Krupp-Marine Systems und sind zum Gutteil mit deutschen Steuergeldern finanziert worden.

U-Boote oder Panzer sind nur zwei Beispiele höchst profitabler Zusammenarbeit zwischen der deutschen und der israelischen Rüstungsindustrie. Nicht erst seit dem brutalen Überfall der Hamas vor rund einem Monat wächst das gegenseitige Austauschinteresse. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich der deutsche Rüstungsexport nach Israel fast verzehnfacht. Das geht aus Zahlen des für Genehmigungen zuständigen und von Robert Habeck (Grüne) geleiteten Bundeswirtschaftsministerium hervor. Im vergangenen Jahr seien Genehmigungen für den Export von Rüstungsgütern im Wert von rund 32 Millionen Euro erteilt worden. Von Januar 2023 bis Anfang November liegt man bereits bei einem Wert 303 Millionen Euro – offiziell.

Seit dem 7. Oktober wurden 185 Genehmigungsanträge abschließend bearbeitet. Insgesamt wurden in diesem Jahr bislang 218 Einzelgenehmigungen erteilt. Die Nachrichtenagentur dpa berichtet, dass Kriegswaffen mit einem Wert von knapp 19 Millionen Euro zu Buche schlagen. Die Masse von knapp 284 Millionen Euro entfällt auf »sonstige« schwer definierbare Rüstungsgüter.

Diese Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Israel läuft bereits seit Jahrzehnten wie geschmiert. Die Anfänge liegen in den 1950er Jahren. Der erste Bundekanzler Konrad Adenauer (CDU) förderte die Entwicklung im Rahmen der sogenannten Wiedergutmachung, mit der die Bundesrepublik die deutsche Schuld am Holocaust ein wenig abtragen wollte. Israel braucht seit der Staatsgründung dringend Kriegsgerät. Die feindseligen arabischen Nachbarstaaten bieten jeden Anlass zur Rüstung. Lieferungen aus Deutschland gelangten anfangs auf geheimen Wegen übers Mittelmeer. Auch die ersten Treffen zwischen Shimon Peres – damals Generaldirektor im israelischen Verteidigungsministerium, später israelischer Staatspräsident und Friedensnobelpreisträger – und dem damaligen Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU) verliefen Ende der 1950er Jahre höchst konspirativ.

Die Zweiteilung der Welt während des Kalten Krieges förderte die Zusammenarbeit. Während die Sowjetunion und auch die DDR die arabischen Staaten unterstützten, stellte sich der Westen an die Seite Israels. Dabei kam es zum umfangreichen Austausch auf dem Gebiet der Rüstung. Man betrieb sogar gemeinsame Forschungsprojekte. Unter dem Codenamen »Cerberus« beispielsweise entwickelte Israel einen extrem leistungsfähigen Radarstörsender, der wesentlich war für den Einsatz der deutschen Tornado-Atombomber.

Intensiv war der Austausch bei der Untersuchung erbeuteter Ostblock-Technik. Nach dem Sieg im Jom-Kippur-Krieg 1973 überließ der Auslandsgeheimdienst Mossad dem deutschen Partner BND modernste sowjetische Militärtechnik. Der revanchierte sich in den letzten Monaten der DDR mit der Überstellung von brandneuem Material aus NVA-Beständen. Ohne Israel wiederum hätte die Bundeswehr keine Drohnen, mit denen sie ihre Soldaten in Afghanistan und Mali schützte.

Inzwischen ist die Zusammenarbeit auf eine neue, höhere Stufe gehoben worden. So trafen sich die Luftwaffen beider Länder zu gemeinsamen Übungen, auch der Austausch zwischen Eliteeinheiten wurde intensiviert. Erst im März hatten Kanzler Olaf Scholz (SPD) und der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu in Berlin einen weiteren Ausbau der Kooperation vereinbart. Die ist wichtig für die von Scholz nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine angekündigte »Zeitenwende«. Dafür liefert Israel nach Zustimmung aus den USA das Luftabwehrsystem Arrow 3. Nicht nur, dass man damit die deutschen Fähigkeiten zur Luftverteidigung enorm steigert. Deutschland hat, indem es andere Staaten zu einer European Sky Shield Initiative einlädt, die Möglichkeit, eine neue militärpolitische Führungsrolle in Europa zu übernehmen.

Nach der Terrorattacke der Hamas auf Israel hatte Scholz dem Land zugesagt, auch militärisch »alles« an Hilfe zu leisten, was erbeten wird. Wer im Auswärtigen Amt nach möglichen Grenzen des deutschen Hilfsangebots fragt, bekommt zur Antwort: Alles meint alles.

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