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Volleyball: Zwischen Berlin und Bitterfeld liegen Welten

Im ersten Bundesligaduell zeigt der Meister, dass er dem Aufsteiger nicht nur sportlich weit überlegen ist

Letztes Jahr noch 2. Liga. Nun muss der Bitterfelder Julian Hoyer (l.) höher springen, um in der Bundesliga zu punkten.
Letztes Jahr noch 2. Liga. Nun muss der Bitterfelder Julian Hoyer (l.) höher springen, um in der Bundesliga zu punkten.

Auf Berlin hatte sich Michael Haßmann ganz besonders gefreut. »Das ist die erste Halle, die generell für ein Erstligateam würdig ist«, sagte der Volleyballer des VC Bitterfeld-Wolfen. Der Verein aus Sachsen-Anhalt war im Sommer das wirtschaftliche Wagnis eingegangen, in die 1. Bundesliga aufzusteigen. Und nach drei Siegen aus den ersten vier Spielen war klar: Sportlich ist »Bi-Wo«, wie die Fans ihren Klub am liebsten anfeuern, bereits oben angekommen.

Strukturell sieht das noch anders aus. Denn von jenen vier Partien fanden zwei daheim in der kleinen Friedersdorfer Bernsteinhalle statt und zwei bei den anderen Aufsteigern aus Dachau und Karlsruhe. Auch deren Arenen erinnern eher an Schul- als an Spitzensport. Holzverkleidungen an den Wänden, fehlende Sitzreihen an mehreren Seiten, tief hängende Decken. Ein wirklicher Unterschied zur 2. Liga war da noch nicht zu erkennen. Nun aber ging es in die Max-Schmeling-Halle der Berlin Volleys. Und auch wenn das Duell mit dem Deutschen Meister am Mittwochabend mit 0:3 klar verloren ging, war Michael Haßmann doch endlich auch visuell in der 1. Liga angekommen. »Im Volleyball sind wir oft noch eher einfach aufgestellt. Ich finde aber, dass jeder Erstligist mindestens in so einer Halle spielen müsste. Lob an Berlin, dass wenigstens die es machen«, sagte der Libero.

Berlins Geschäftsführer Kaweh Niroomand begrüßt die Aufstockung der Liga um vier Teams, auch wenn er zu Beginn der Saison noch befürchtete, dass zu den Heimspielen gegen diese Teams kaum Fans in die eigene Arena kommen würden, weil der erwartete Ausgang kaum Spannung verspricht. Gegen Bitterfeld-Wolfen aber waren immerhin 3571 Zuschauer gekommen – mitten in der Woche an einem verregneten Mittwochabend. Damit dürfte der Manager zufrieden sein. Die Fans bejubelten auch jeden Satzgewinn, wie klar er auch ausfiel, als ginge es gerade um den Sieg in der Champions League. Neil Diamonds kaum noch zu ertragendes »Sweet Caroline« klang auch diesmal aus den riesigen Boxen von der Hallendecke, und die Klatschpappen prasselten tausendfach im Takt. »Oh, oh, ooooh«, in Berlin ist Volleyball nun mal eine Show, garniert mit hochklassigem Sport.

Der Liganeuling aus der Chemieregion kann davon nur träumen. War die Berliner Arena am Mittwoch nicht mal halb voll, waren dennoch knapp zehnmal so viele Leute gekommen, wie in die Bernsteinhalle passen. Und daran scheint sich mittelfristig auch nichts zu ändern. Der VC wäre beim gewünschten Neubau einer Multifunktionsarena für Konzerte und mehrere Sportvereine auf die Hilfe der Kommune angewiesen. Doch wie schon Vereinspräsident Michael Eisel zum Saisonstart gegenüber »nd« berichtete, stellte auch Haßmann enttäuscht fest: »Ich habe nicht das Gefühl, dass die Stadt hinter uns steht, dass da aktiv daran gearbeitet wird, eine gerechte Spielstätte für unser Spielniveau zu errichten.«

Dabei wird der Klub – und damit auch der Name der Stadt – in den Medien nun viel häufiger wahrgenommen. »In der 2. Liga ist man nicht präsent, aber jetzt berichten mir viele Bekannte, dass wir schon wieder im Radio waren. Das liegt natürlich auch daran, dass wir die ersten drei Spiele gewonnen haben. Aber die Bundesliga an sich hat schon eine andere Wirkung«, so Haßmann. In die 60 Kilometer entfernte Arena nach Leipzig will der Verein aber nicht umziehen. Immerhin sei man mehr als drei Jahrzehnte lang in der Region verwurzelt. »Würden wir jetzt einfach woanders hinziehen, hätte das den Eindruck, als würden wir uns verkaufen. Außerdem haben wir bis jetzt auch alles geschafft, woran vorher keiner geglaubt hatte. Warum jetzt nicht noch ein paar Schritte weiter?«

Sportlich ist man diese Schritte schon gegangen. Sieben neue Spieler wurden verpflichtet, darunter vier aus dem Ausland. In der Startformation standen mit Haßmann und Außenangreifer Julian Hoyer aber auch noch zwei Volleyballer, die vergangene Saison den Aufstieg schafften. Nach Siegen gegen die anderen Neulinge aus Dachau, Freiburg und Karlsruhe erscheint nun sogar ein Playoffplatz in der Bundesliga erreichbar. »Uns ist klar, welche Spiele wir gewinnen können und welche nicht«, sagte das 31-jährige Urgestein des Vereins, das nicht nur ehrenamtlich noch als Jugendwart tätig ist, sondern neben dem Sport als Polizist arbeitet. Ein reines Profitum war in der 2. Liga kaum denkbar, nun will er die berufliche Karriere aber auch nicht für das Bundesliga-Abenteuer einfach so abbrechen.

Elf Jahre lang hatte er in der zweiten Liga gespielt, sich daran gewöhnt. »Für mich ist das jetzt nicht mehr so langweilig. Ich sehe endlich mal wieder Spieler, die ein, zwei, drei Schritte weiter sind. Um da mitzuhalten, muss man mal wieder an sein Leistungslimit gehen. Darauf habe ich mich gefreut.« Von solchen Spielern hat Berlin eine Menge zu bieten, weshalb an diesem Abend tatsächlich nur der zweite Satz spannend wurde, in dem der Meister gleich mehrere Nationalspieler schonte und unkonzentriert wirkte. Die Bitterfelder schlugen nach dem 12:25 zu Beginn nun hingegen viel risikoreicher auf und blieben dadurch bis zum 18:19 lange dran. Am Ende ging auch dieser Durchgang aber mit 25:22 an die Volleys. Das 25:13 zum Abschluss zeigte zwar wieder einen Klassenunterschied, doch die Aufsteiger wollen sich »genau an solchen Momenten hochziehen. Wir wissen ganz klar, welche Rolle wir aktuell haben, aber wir hatten einen knappen Satz. Das kann man nutzen, um sich weiterzuentwickeln«, betonte Haßmann.

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