Linke-Parteitag: Rot-grün-lila Selbstverständnis

Auf dem Augsburger Parteitag will sich Die Linke neu erfinden und die Krise hinter sich lassen

Viel Rot, ein bisschen Grün, ein bisschen Lila – das neue Linke-Design ist dreifarbig. Signalisieren soll es: Der Schwerpunkt ist das Soziale, aber Klimagerechtigkeit und Feminismus sowie Geschlechtergerechtigkeit gehören zum Selbstverständnis der Partei. Das Dreieck im Parteilogo zeigt nun nach rechts – dorthin, wo die politischen Hauptgegner stehen.

Soweit die Symbolik, mit der Die Linke auf dem Augsburger Parteitag an diesem Wochenende eine neue Phase ihrer Entwicklung einläuten will. »Weil die Dinge sind, wie sie sind, dürfen sie nicht so bleiben, wie sie sind« – dieses Diktum des gebürtigen Augsburgers Bertolt Brecht, zitiert von der Linke-Vorsitzenden Janine Wissler, trifft auch auf die Partei selbst zu. Manchen allerdings geht die Veränderung nicht schnell genug. Die Flüchtlings- und Klimaaktivistin Carola Rackete, von der Parteiführung für eine Spitzenkandidatur bei der Europawahl vorgeschlagen, hat sich in einem Interview mit »Zeit online« nur Stunden vor Parteitagsbeginn für eine Umbenennung der Partei eingesetzt, der sie selbst nicht angehört. Das gehöre für sie zur Erneuerung und zu einer konsequenten Distanzierung von der SED-Vergangenheit. Eine Äußerung, die für Verwunderung und Verärgerung sorgte – der Parteitag wird auch hier einiges zu besprechen haben.

Das Soziale zieht sich als Leitfaden durch das EU-Wahlprogramm

Denn was man in Augsburg zustande bringen will, ist ein Aufbruch aus der Krise, ein Schritt zur Erneuerung und ein Ende der internen Dauerkonflikte. Sahra Wagenknecht und ihre Anhänger sind nicht mehr dabei, ein Thema sind sie zumindest zwischen den Zeilen dennoch. »Eine gesamtdeutsche Linke ist ein Glücksfall, das lassen wir uns nicht kaputtmachen«, sagte der Linke-Vorsitzende Martin Schirdewan zur Parteitagseröffnung. Und Janine Wissler erklärte, linke Parteien schauten immer über den nationalen Tellerrand hinaus, »sonst wären sie keine linke Partei«.

Laut dem Entwurf des Wahlprogramms für die EU-Wahl 2024, das an diesem Wochenende beschlossen werden soll, setzt sich Die Linke für ein sozial gerechtes, demokratisches, friedliches Europa ein. Betont werden auch die Klimagerechtigkeit und die globale Gerechtigkeit im Verhältnis der EU zum globalen Süden. Der »völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine« wird als Verbrechen bezeichnet, zu seiner Beendigung werden verstärkte diplomatische Bemühungen gefordert. Das Soziale zieht sich als Leitfaden durch alle Kapitel.

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Die Europawahl im Juni des nächsten Jahres soll ein Erfolg für Die Linke werden, zumindest als Nachweis dafür, dass die Krise gestoppt werden kann. Bestärkt dürfte sich die Linkspartei durch eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Kantar (früher Emnid) sehen, das sich im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit den Aussichten der Linken nach der Abspaltung des Wagenknecht-Flügels befasste. Demnach liegt das Wählerpotenzial der Linken bei 15 Prozent, das des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) bei 12 Prozent. Die möglichen Wählergruppen überschneiden sich der Erhebung zufolge weniger als bisher in den Medien vermutet. So könnten sich 13 Prozent der Befragten mit klarer Linke-Präferenz vorstellen, eventuell das BSW zu wählen. Dagegen ist es für 29 Prozent der AfD-Sympathisanten und 21 Prozent der FDP-Anhänger vorstellbar, das Kreuz beim BSW zu machen. Das relativiere die These, dass Die Linke durch das BSW spürbar geschwächt werden könnte. Bemerkenswert ist zudem, dass Die Linke der Umfrage zufolge eher bei jüngeren, das BSW stärker bei älteren Menschen auf Interesse stößt.

Die Abspaltung der Wagenknecht-Gruppe hat Bewegung in die Linke-Mitgliedschaft gebracht. Es gibt eine Reihe von Parteiaustritten, deutlich zahlreicher sind aber die bisher über 600 Eintritte in den letzten vier Wochen. Zu den Neu-Genossen gehören einige Menschen, die in bestimmten politischen Szenen einen Namen haben – so die Buchautorin und Sozialarbeiterin Cansin Köktürk, die bisher den Grünen angehörte, und die Campaignerin Liza Plaum. Und es gibt Rückkehrer, beispielsweise Ulrich Schneider, Geschäftsführer des Paritätischen Sozialverbands, der Die Linke vor gut einem Jahr wegen des Kurses von Sahra Wagenknecht verlassen hatte.

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