Iran richtet Jugendlichen hin

Menschenrechtler: Iranische Justiz vollstreckt Todesstrafe wegen Mordes an einem verurteilten 17-Jährigen

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 4 Min.
Weltweit mobilisieren Aktivisten gegen die Todesstrafe im Iran und unterstützen die Protestbewegung nach dem gewaltsamen Tod der Kurdin Mahsa Jina Amini.
Weltweit mobilisieren Aktivisten gegen die Todesstrafe im Iran und unterstützen die Protestbewegung nach dem gewaltsamen Tod der Kurdin Mahsa Jina Amini.

Der Iran hat nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen einen wegen Mordes verurteilten 17-Jährigen hingerichtet. Hamidreza Azari sei am Freitag im Gefängnis der Stadt Sabsewar in der ostiranischen Provinz Rasavi-Khorasan hingerichtet worden, teilten die Menschenrechtsorganisationen Hengaw und Iran Human Rights (IHR), die ihren Sitz beide in Norwegen haben, am Samstag mit. Auch der persischsprachige Satellitenfernsehsender Iran International berichtete über die Hinrichtung.

Hengaw und IHR erklärten unter Berufung auf eingesehene Dokumente, Azari sei zum Tatzeitpunkt 16 Jahre und zum Zeitpunkt seiner Hinrichtung 17 Jahre alt gewesen. Berichten zufolge war er zum Tode verurteilt worden, weil er bei einer Schlägerei einen Mann getötet hatte. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisationen hat der Iran mit der Hinrichtung erneut gegen die UN-Kinderrechtskonvention verstoßen, die jeden Menschen unter 18 Jahren als Kind definiert. Der Iran sei eines der wenigen Länder, die Minderjährige zum Tode verurteilten, erklärte IHR. Der Iran richte zudem mehr Jugendliche hin als alle anderen Länder. Nach Zählungen der Organisation wurden im Iran seit 2010 mindestens 68 Minderjährige hingerichtet.

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Zwischenzeitlich soll ein anderer hingerichteter Iraner unter hohen Sicherheitsvorkehrungen beerdigt worden sein: Milad Sohrewand, der am frühen Donnerstag in einem Gefängnis in der westiranischen Stadt Hamadan hingerichtet worden war, sei in Anwesenheit von 20 Familienmitgliedern und zahlreichen Sicherheitskräften beigesetzt worden, erklärte die in Norwegen ansässige kurdische Menschenrechtsorganisation Hengaw am Freitag.

Sohrewand war für die Tötung eines Offiziers der iranischen Revolutionsgarden bei einer Demonstration in der Stadt Malayer im vergangenen November zum Tode verurteilt worden. Seine Hinrichtung war bereits die achte im Zusammenhang mit den landesweiten Protesten nach dem Tod der jungen Kurdin Amini im September 2022 nach ihrer Festnahme durch die iranische Sittenpolizei.

Hengaw gab an, die Hinrichtung sei »geheim« erfolgt. Sohrewand sei zuvor nicht informiert worden, dass seine Exekution unmittelbar bevorstehe und habe vorher auch seine Familie nicht noch einmal sehen können. Zudem sei der Familie verboten worden, die Sohrewands Leiche in seine Heimatstadt Malayer zu überführen. Über die Hinrichtung wurde von Medien im Iran nicht berichtet.

Das Auswärtige Amt verurteilte die Hinrichtung. »Gegen Missstände zu demonstrieren ist ein Grundrecht und kein Verbrechen« erklärte das Ministerium im Onlinedienst X (vormals Twitter). Der Iran richte »so viele Menschen hin wie lange nicht mehr«, hieß es weiter. »Wir lehnen die Todesstrafe unter allen Umständen ab.« Nach Angaben der in Oslo ansässigen Gruppe Iran Human Rights wurden im Iran in diesem Jahr mindestens 680 Menschen hingerichtet, die meisten davon im Zusammenhang mit Verurteilungen wegen Mordes oder Drogendelikten.

Die staatliche Repression im Iran erfolgt nicht nur über die Todesstrafe. Berüchtigt ist auch die Drangsalierung und Diskriminierung von Frauen durch die sogenannten Sittenwächter. Jetzt wurde bekannt, dass die iranische Staatsanwaltschaft Anklage gegen die regierungskritische Tageszeitung »Etemad« erhoben hat, weil diese angeblich streng geheime Staatsdokument über Einsätze von Sittenwächtern veröffentlicht habe. Das gab das Justizportal Mizan am Sonntag bekannt. Bei dem veröffentlichten Dokument handelt es sich um eine schriftliche Anweisung des Innenministeriums über den Einsatz Tausender Sittenwächter an öffentlichen Orten für die Einhaltung der islamischen Kleiderordnung der Frauen. Das Innenministerium hatte sich vergangene Woche von den Sittenwächtern distanziert und behauptet, dass diese Zivilisten und nicht Teil der Sittenpolizei und des Ministeriums seien. Sie würden sich laut Innenministerium lediglich freiwillig und auch nur verbal für die Einhaltung islamischer Sitten in der Gesellschaft einsetzen. 

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