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Kerstin Kaiser kandidiert wieder für die Linke in Brandenburg

Brandenburgs Ex-Linksfraktionschefin nach jahrelanger Pause für die Landtagswahl 2024 nominiert

Kerstin Kaiser im Jahr 2010 zur Zeit ihrer größten Erfolge.
Kerstin Kaiser im Jahr 2010 zur Zeit ihrer größten Erfolge.

Brandenburgs Ex-Linksfraktionschefin Kerstin Kaiser kandidiert nach acht Jahren Pause von der Landespolitik wieder für den Landtag. Sie tritt am 22. September kommenden Jahres als Direktkandidatin in ihrem alten Wahlkreis in Strausberg an. Durchgesetzt hat sie sich bei der Nominierung mit 37 zu 23 Stimmen gegen ihren Mitbewerber Ronny Kühn.

Schon seit Juli kursierten in Parteikreisen Gerüchte, Kerstin Kaiser wolle ein politisches Comeback starten – vielleicht sogar wieder als Spitzenkandidatin antreten. Hinter vorgehaltener Hand wurden solche Darstellungen von verschiedenen Seiten bestätigt. Zuletzt war allerdings nur noch von einer Kandidatur im Wahlkreis die Rede. Als Spitzenkandidaten hat der Landesvorstand den Landesvorsitzenden und Landtagsfraktionschef Sebastian Walter empfohlen. Die Entscheidung darüber fällt Anfang 2024 in Templin. Denn dort wird dann die Landesliste der Linkspartei nominiert.

Kerstin Kaiser saß von 1999 an im Landtag. Mit ihr als Spitzenkandidatin erzielte Die Linke bei der Landtagswahl 2009 stolze 27,2 Prozent. Es war das zweitbeste Ergebnis nach dem Rekordwert von 28 Prozent fünf Jahre zuvor mit Spitzenkandidatin Dagmar Enkelmann. Ende 2009 wurde die erste rot-rote Koalition in Brandenburg gebildet. Zehn Jahre hielt das Regierungsbündnis mit der SPD. Die herbe Niederlage von 2014 – damals stürzte Die Linke auf 18,6 Prozent ab – verbindet sich nicht mit dem Namen von Kerstin Kaiser. Sie war dann zwar noch bis 2016 Landtagsabgeordnete, bevor sie die Leitung des Moskauer Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung übernahm – aber nicht mehr Linksfraktionschefin und auch nicht mehr Spitzenkandidatin.

2019 kamen die Sozialisten bei der Landtagswahl nur noch auf 10,7 Prozent und seitdem sind sie wieder Oppositionspartei. In den aktuellsten Prognosen steht der Landesverband bloß noch bei acht Prozent – die erst noch zu gründende neue Partei der Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht eingerechnet sogar nur bei fünf Prozent. Die Linke müsste demnach um ihren Einzug ins Parlament bangen.

Überhaupt ist die für Januar angekündigte Gründung einer Wagenknecht-Partei die große Unbekannte in allen Berechnungen. Könnte diese Gruppierung wie prognostiziert tatsächlich mit bis zu 20 Prozent bei der Brandenburger Landtagswahl abschneiden, dann würde das die Karten völlig neu mischen. Es würde auch die Grünen und die Freien Wähler in Bedrängnis bringen, die dann ebenfalls an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern könnten – die FDP sowieso, die braucht dazu keine Wagenknecht-Partei. Die FDP steht auch ohnedies sehr schlecht da.

Wer für die Wagenknecht-Partei kandidieren könnte und sollte, ist noch völlig offen. Unter den derzeit zehn Landtagsabgeordneten der Linken ist niemand, der bisher in diese Richtung tendierte. Von der vorhergesagten Austrittswelle ist auch noch nichts zu spüren. Im Gegenteil: Im Moment treten das erste Mal seit zwei Jahren wieder mehr Menschen in den Landesverband ein als aus. Seit Sahra Wagenknecht Ende Oktober ihre eigene Partei ankündigte, sind nach Angaben von Landesgeschäftsführer Stefan Wollenberg in Brandenburg rund 40 Genossen ausgetreten und dafür aber mehr als 60 Menschen dazugestoßen. Vier Austritte ordnet Wollenberg dem hiesigen Karl-Liebknecht-Kreis zu – einer Landesarbeitsgemeinschaft, in der Anhänger der Positionen Wagenknechts zusammengefunden haben.

Im Oktober vergangenen Jahres hatte sich der Brandenburger Liebknecht-Kreis in Erkner gegründet – mit dem erklärten Ziel, Genossen zu sammeln und in der Linken zu halten, die schon enttäuscht hinwerfen wollten. 86 Mitglieder zählt der Kreis, die aber nicht alle zugleich Mitglied der brandenburgischen Linken sind. Angeschlossen hatte sich zum Beispiel auch der Ex-Bundestagsabgeordnete Alexander Neu, der in Berlin wohnt. Alexander Neu ist jetzt aus der Partei ausgetreten und will sich dem Bündnis Sahra Wagenknecht anschließen, was alles andere als überraschend ist.

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Seinen beabsichtigen Wechsel offenbart hat auch Niels-Olaf Lüders, bislang Kreisvorsitzender in Märkisch-Oderland. Er hatte 2021 vergeblich für den Bundestag kandidiert und dazu ein Wahlplakat benutzt, welches ihn unter dem Slogan »Die sozial Gerechten« mit Sahra Wagenknecht an seiner Seite zeigte. Der Rechtsanwalt Lüders, der sich auf Asylverfahren spezialisiert hat und Geflüchteten hilft, die abgeschoben werden sollen, gehört zu den Gründern und führenden Köpfen im Brandenburger Karl-Liebknecht-Kreis. Gerade er hatte immer wieder beteuert, dass es ihm dabei nicht um eine Spaltung der Partei gehe.

Dieses Jahr bereits einmal ausgetreten und dann doch wieder eingetreten ist Andreas Eichner vom Landessprecherrat des Liebknecht-Kreises. Nun erklärt er seinen »unwiderruflichen Austritt« zum 30. November. »Nach Jahren des Kampfes um eine wirklich sozialistische, das herrschende System in seinen Grundlagen bekämpfende Partei, erkenne ich an, diesen Kampf verloren zu haben«, schreibt Eichner in einer persönlichen Erklärung, die dem »nd« vorliegt. »Mein Herz und mein Verstand als Kommunist, als Kämpfer gegen Ungerechtigkeit und Faschismus, als Kämpfer für ein soziales und humanistisches System erlauben mir nicht länger, Mitglied der Partei ›Die Linke‹ zu sein. Ich schreibe diese Zeilen mit Tränen in den Augen.« Als 18-Jähriger sei er Kandidat der SED geworden, habe nach der Wende den PDS-Bezirksverband Berlin-Weißensee als Vorsitzender mit aufgebaut.

Eichner will ungeachtet seines Parteiaustritts bei der Brandenburger Kommunalwahl am 9. Juni auf der Liste der Linken für die Gemeindevertretung von Schönefeld kandidieren. Er ist dort jetzt bereits als sachkundiger Einwohner im Ausschuss für Bauen und bezahlbares Wohnen aktiv.

Die Brandenburger Linke erwartet von allen ihren Kandidaten für die Kommunal- und Landtagswahlen 2024 eigentlich ein Bekenntnis, dass sie gewonnene Mandate nicht zum Bündnis Wagenknecht mitnehmen. So wie Lüders und Eichner hatten bereits am Wochenende zunächst 20 Mitglieder des Brandenburger Liebknecht-Kreises ihren Austritt zum 30. November angekündigt. Es sollten bis zu diesem Termin noch einige mehr werden. Diese Austrittserklärungen sind aber noch nicht in der Landesgeschäftsstelle eingegangen, weshalb Landesgeschäftsführer Wollenberg dem Liebknecht-Kreis zunächst nur vier Austritte zuordnen konnte. Insgesamt zählt Brandenburgs Linke etwa 4350 Genossen.

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