Werbung

Von Klempnern und Architekten

Friedrich Merz hat ja für vieles Prügel verdient, aber was war an seinem Kanzler-Klempner-Vergleich eigentlich so verkehrt, fragt Christoph Ruf

Friedrich Merz hat in den vergangenen Tagen mal wieder viel Prügel abbekommen, wogegen grundsätzlich nichts einzuwenden ist. Ein Mann, der beim Heuschrecken-Imperium »Blackrock« gearbeitet hat und danach allen Ernstes in die Politik zurückgeht, hätte noch ganz andere Dinge verdient. Woran sich aber die Kritik festmachte, habe ich nicht verstanden.

Was Merz gemeint hat, als er den Bundeskanzler als »Klempner der Macht« bezeichnete, hätte man eigentlich auch verstehen können. Es ging wohl eher nicht um eine Beleidigung der noblen Zunft der »Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik«. Die dürfte selbst Merz rufen, wenn im heimischen Brilon das Abflussrohr verstopft ist, weil mal wieder Papierschnipsel unsachgerecht entsorgt wurden. Es ging darum, dass man von einem Kanzler eigentlich erwarten sollte, dass er Architekt des Hauses ist. Und nicht derjenige, der herumdengelt, schraubt und lötet, wenn mal wieder gar nichts geht.

So schlecht ist dieses Bild, samt Klempner, doch wohl wirklich nicht, wenn es um den Zustand der Ampel geht, oder? Eigentlich handelt es sich bei der ja eher um ein Haus, das nicht deswegen hell erleuchtet ist, weil die Elektrizität funktioniert. Sondern weil es brennt. Und in dem die drei Bewohner dennoch gemütlich auf dem Sofa sitzen und sich darüber streiten, welche Nummer denn noch mal die Feuerwehr hat. Und: Welcher Oppositionsführer, bitte schön, wäre nicht nach Karlsruhe gegangen, wenn die Regierung einen »Ich-sehe-was-was-du-nicht-siehst-und-das-sind-60-Milliarden«-Haushalt aufstellt?

Christoph Ruf

Christoph Ruf ist freier Autor und beobachtet hier politische und sportliche Begebenheiten.

Das Problem an Merz ist weder primär seine Rhetorik noch die Tatsache, dass er als Oppositionsführer Oppositionspolitik betreibt. Das Problem ist der Politikentwurf, für den er steht und für den die Schuldenbremse Mittel zum Zweck ist. Merz ist sich auch da treugeblieben: Bei »Blackrock« ging es ihm ja schon darum, Wetten gegen den Staat abzuschließen und Geld von öffentlichem in privaten Besitz überzuführen. Liebe Kinder, passt gut auf: Ein System, in dem so etwas legal ist, in dem man aber bestraft wird, wenn man eine Quittung über zehn Euro falsch abrechnet, nennt man »Kapitalismus«. Und dessen weitere Perfektionierung ist die eigentliche Merz’sche Agenda.

Die – welch nettes Wort – »Schuldenbremse« wäre nämlich ja prima einzuhalten, wenn man die Ausgaben für Soziales, Bildung, Integration und Umwelt einfach zusammenstreicht, man müsste dann auch nicht einmal Steuern für Besser- und Bestverdienende oder die Erben von Millionenvermögen erhöhen. Von den 40 Erben, die zuletzt über 100 Millionen Euro vererbt bekommen haben, haben 31 übrigens nicht einen Cent an Steuern gezahlt, wie eine Anfrage der Linken ergab. Dass man Geld auch von denen holen kann, die viel davon haben, fällt allerdings auch Sozialdemokraten immer erst dann ein, wenn sie nun wirklich nirgendwo anders mehr ein paar Euro finden.

Eine kleine Wette am Rande, in zwei Teilen: Auch in dieser Legislaturperiode werden die großen Vermögen ungeschont bleiben, wird weder eine echte Erbschaftssteuer erhoben noch Steuerflucht und Spekulationsgewinnen ernsthaft der Kampf angesagt werden. Und im nächsten Wahlkampf, also dem, an dessen Ende die SPD bei 15,8 Prozent landet, wird sie genau das alles wieder als hervorragende Ideen anpreisen. An der Macht wird die SPD danach allerdings nicht mehr sein, zumindest wird sie den Bundeskanzler nicht mehr stellen, was derzeit angeblich ja der Fall ist.

Das wird dann allerdings nicht am Oppositionsführer liegen, sondern daran, dass die Ampel den noch konsequenteren Vertreter des Merz’schen Politikverständnisses in den eigenen Reihen hat. Während Olaf Scholz am Wochenende bei der Klimakonferenz in Dubai war, hat sein Finanzminister zeitgleich nicht nur die Reduzierung der Bürgergeld-Erhöhung gefordert, er will auch bei der internationalen Klimaschutz-Finanzierung sparen. Und Christian Lindner ist es seit zwei Jahren völlig egal, wer unter ihm Kanzler ist.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.