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COP28: »Ab 1,5 Grad gibt es nur noch Verluste und Schäden«

Insbesondere die kleinen Inselstaaten können mit den Ergebnissen des Dubaier Klimagipfels nicht leben

  • Jörg Staude, Dubai
  • Lesedauer: 4 Min.

Nachdem der COP-28-Präsident und Ölkonzernchef Sultan Ahmed Al-Jaber den ersten und von vielen als skandalös bezeichneten Textentwurf für die Abschlusserklärung der Klimakonferenz von Dubai vorgelegt hatte, trat am Dienstag Brianna Fruean vor die Presse. Der samoanischen Klimaschützerin, einer erfahrenen Aktivistin, versagte die Stimme angesichts des klimapolitischen Desasters, das Al-Jaber mit seinem fossil geprägten Entwurf ihrem Inselstaat zumutet. Für die pazifischen Länder ist das 1,5-Grad-Limit nicht verhandelbar. »Es ist eine Frage des Überlebens für unsere Insel«, sagt Fruean, mit den Tränen kämpfend.

Länder wie Samoa, zusammengeschlossen in der Allianz der kleinen Inselstaaten (Aosis), haben auf Klimakonferenzen eigentlich starke Verbündete in der sogenannten High Ambition Coalition. Dazu gehören auch viele Länder Europas, Lateinamerikas und Afrikas, insgesamt mehr als 100. Zur Halbzeit des Dubaier Gipfels verkündete auch der Vorsitzende der Koalition der Ambitionierten, John Silk, vor laufenden Kameras: Das 1,5-Grad-Limit sei nicht verhandelbar, eine globale Erwärmung um zwei Grad zu Ende des Jahrhunderts nicht akzeptabel. Zwei Grad würden Millionen, wenn nicht Milliarden der am meisten gefährdeten Menschen und Gemeinschaften ins Verderben stürzen, so der Außenminister der Marshallinseln.

Das droht den Menschen auf den Inseln nun weiter. Die Beschlüsse von Dubai seien keine Blaupause für die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze, kritisiert etwa Jan Kowalzig von der Hilfsorganisation Oxfam. Problematisch seien die Schlupflöcher im Gipfelpapier. »Einige Länder und die fossile Industrie werden das als Rechtfertigung für den weiteren Ausbau der Gasförderung verstehen«, vermutet Kowalzig wohl zu Recht.

Nach dem Geist des Gipfelpapiers kann Erdgas de facto noch Jahrzehnte genutzt werden. Ein Herunterfahren der Kohleverbrennung wird nur verlangt, wenn die CO2-Emissionen nicht abgeschieden und gespeichert, also per CCS-Technologie »entsorgt« werden. Dabei hatte die einst so mächtige High Ambition Coalition vor dem Gipfel in einer Deklaration ausdrücklich den weltweiten Ausstieg aus allen fossilen Energien angestrebt. Deutschland allerdings hatte diese Forderung nicht unterschrieben.

Der Frage, ob die Bundesrepublik das in Dubai nachholen würde, entzog sich Außenministerin Annalena Baerbock während der Klimakonferenz. Als Antwort trug sie die von ihr und der deutschen Delegation gern verbreitete Geschichte vor, den seit Langem geforderten Fonds zum Ausgleich klimawandelbedingter Verluste und Schäden endlich zu gründen. Zum Gipfelauftakt in Dubai konnte denn auch Kanzler Olaf Scholz den Erfolg verkünden, der Fonds sei bei der Weltbank eingerichtet und auch gleich noch mit 200 Millionen Dollar gefüllt worden, davon 100 Millionen aus Deutschland. Partner war dabei aber nicht die High Ambition Coalition, sondern der Gipfel-Gastgeber, die Vereinigten Arabischen Emirate, die nochmal dieselbe Summe beisteuern. Diesen anfänglichen Erfolg trug Baerbock bis zum Ende von COP 28 vor sich her.

Tatsächlich ist diese Initiative eher ein diplomatischer als ein klimapolitischer Erfolg. Einen Grund dafür machte die kolumbianische Umweltministerin Susana Muhamad klar: In ihrem Land könne man sehen, was Klimaanpassung und Resilienz, also Widerstandsfähigkeit, wirklich bedeuten. Ihre Erfahrung sei daher: »Jenseits von 1,5 Grad gibt es keine Anpassung mehr, es gibt nur noch Verluste und Schäden.«

Die Ministerin aus Kolumbien stellte damit klar: Beschreitet die Welt nicht den Pfad zur Einhaltung dieser Obergrenze bei der Erderwärmung, dann kann auch noch so viel Geld nicht ausreichen, die Klimaschäden zu bezahlen. Das Herunterfahren der CO2-Emissionen ist daher das Allerwichtigste beim Klimaschutz.

So gesehen hätten Deutschland und die Emirate den Gipfel besser mit einer Initiative starten sollen, bei der sie ihre Klimaziele im Vorgriff auf die Weltgemeinschaft erhöhen. Aber das ist für Deutschland derzeit unmöglich. Die schwache Klimapolitik zu Hause war stets der Elefant im Raum, wenn die deutsche Delegation auftrat.

Gekennzeichnet war die Gipfel auch durch eine geschwächte Klimabewegung. Diskutieren, organisieren und protestieren – das habe auf der diesjährigen Klimakonferenz in den Emiraten wenig Platz, beklagte etwa Luisa Neubauer von Fridays for Future zur Halbzeit. Dass die Dubaier die »inklusivste« sei, wie die Gastgeber versprochen hatten, könne sie überhaupt nicht bestätigen.

Im Abschlussplenum am Mittwoch ergriff auch die Umweltministerin Samoas, Anne Rasmussen, namens der kleinen Inselstaaten das Wort. Diese seien zu dem Schluss gekommen, dass mit dem Gipfelpapier die notwendige Kurskorrektur beim Klima nicht gesichert sei, erklärt die Aosis-Vorsitzende klipp und klar. So gebe es keine Verpflichtung, dass der Peak bei den CO₂-Emissionen 2025 erreicht sein muss. Die Inselstaaten müssten den Gipfel mit Entscheidungen verlassen, die dem Ausmaß der Klimakrise nicht gerecht würden.

Als Rasmussen das vor der Weltöffentlichkeit erklärte, war der Gipfeltext längst bereits angenommen. Das Plenum hatte nicht auf die Inselstaaten gewartet. Deren Vertreter standen noch vor dem Saal, als andere Länder die Annahme mit stehendem Applaus begrüßten.

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